Namen wie: See des zurückgegebenen Schwertes, Wasserpuppentheater, Dame des Himmels, Parfümfluss oder Wolkenpass. Vietnam ist eine Welt des Lächelns, der Freundlichkeit, der ehrbaren Traditionen. Dieses Land in Worte zu fassen ist nicht wirklich leicht, denn es ist noch tausendmal so schön.
Dies habe ich mal in einer Reisebeschreibung gelesen und zusammen mit meinen Erinnerungen aus meiner Jugend (Vietnamkrieg in meinem Teenageralter) war der Entschluss gefasst: die nächste Reise muss nach Vietnam gehen – ich musste nur noch Joly überzeugen.
Und Joly sagte ja mit der Bedingung, dass sie unbedingt im Parfümfluss baden, im Wolkenpass schweben und die Dame des Himmels mit dem Schwert beeindrucken könne.
Ich hätte so gerne Joly’s Wunsch erfüllt – doch zum Glück konnten wir kein eigenes Fahrzeug fahren und war somit fein raus (in Vietnam durft damals nur fahren, wer den vietnamesischen Fahrausweis hatte – und welcher Tourist hat den??). Unser Guide – übrigens der Fahrer auch – reagierten ziemlich fragendenden Blickes auf Joly’s Anliegen.
Als Entschädigung begrüsste uns Hanoi mit tausenden von Mopeds, teilweise mit 4 Personen drauf und unglaublichen Lasten auf diesen zwei kleinen Rädern. Unglaublich was die alles transportieren. Die Verkehrslawine auf der Strasse mit entsprechendem Smog machte uns das Atmen schwer und die Überquerung der Strasse machte aus uns Erfinder. Wir fanden heraus, dass wir uns dicht hinter den Einheimischen am Rotlicht einreihen mussten – am besten, sie am Hemd oder sonst an einen Stofffetzen halten – und so über die Strasse mit Ihnen sprinten. Joly wollte und sollte etwas erleben – bitte schön….. hahaha
Hanoi, die Hauptstadt und zweitgrösste Stadt von Vietnam brilliert mit eigenem Charme. Unzählige Handwerkerläden, enge und überfüllte Strassen und Gassen, viele Menschen und Strassenhändler, Einkäufe mit dem Moped – alles schmilzt irgendwie ineinander – Alt vermischt sich mit NEU – ein höllisches Treiben!
Und in diesem unendlichen Durcheinander gibt es immer wieder Orte an denen Frieden und Ruhe zu finden ist. So z.B. der Schildkrötenturm im Hoan-Kiem-See , die Vorstellung im Wasserpuppentheater, die Zitadelle oder die „one-pillar-pagode“ (Einsäulenpagode), einfach tolle und berührende Sehenswürdigkeiten.
Als „Vietnamkriegsgeschädigter“ Teenager wollte ich natürlich unbedingt das Haus, den Regierungssitz und das Mausoleum von Ho-Chi-Minh von Nahem sehen. Beeindruckend.
Mit unseren beiden Begleitern fuhren wir gegen Nordosten, zu der Halong-Bucht. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die Autofahrer in Vietnam keine Geschwindigkeitsbegrenzungen kennen – auch nicht dort, wo das tägliche Leben direkt an oder auf der Strasse stattfindet. So haben zum Beispiel die Hühner und die Enten beinahe schon alle Federn verloren weil sie sich beim Überqueren der Strasse an keine Kleidungsstücke halten können. Die Entenfedern in Vietnam werden je nach Besitzer mit einer Farbe markiert – wir haben uns echt gefragt weshalb – sie verlieren es ja eh!
Nachdem wir unserem Fahrer klar machen, dass, wenn er seinen aggressiven Fahrstil nicht sofort ändert bald so aussieht wie ein gerupftes Huhn oder Ente, können wir endlich uns entspannen und die mehrstündige Fahrt geniessen. Wunderschöne Teiche mit Lotusblumen, Menschen im Reisfeld, farbige Märkte, smaragdgrünen Reisfelder und noch vieles mehr begleiten uns und lassen die Fahrt als einer der Highlights unserer Reise werden.
Unterwegs haben wir auch die Möglichkeit eine Werkstatt mit mehrheitlich behinderten Menschen, welche Bilder malten, Skulpturen schnitzten oder anderes herstellten zu besuchen. Speziell für Joly war das interessant da sie selber in einer solchen Institution arbeitet. Sicherlich sind die Bedingungen unvergleichbar mit den unseren– trotzdem hatten wir den Eindruck, dass die Menschen dort eine Aufgabe haben und einen echt glücklichen Eindruck machen.
In der Halong hatten wir ein Hotel im Voraus gebucht. Joly hatte jedoch den kurzfristigen Wunsch, auf einer Dschunke durch die Halong zu segeln und auch dort zu übernachten. So entschieden wir uns spontan und trotz Regen für eine solche Reise und das war gut so. Denn die Halong Bucht bildet mit ihren unzähligen Felsnadeln, die aus dem Wasser ragen, eine einzigartige und romantische Landschaft .
Die Legende sagt, dass ein vom Himmel hinabgestiegener Drache, „auf Vietnamesisch Ha Long“, und seine Kinder, die bizarre Inselwelt im Meer zurück liessen, als sie im Kampf gegen Eindringlinge Perlen spuckten, die zu Land wurden. Geologen mögen es besser wissen, doch passt der Mythos perfekt zur grandiosen, seltsamen und schönen Landschaft. Eine „echte“ Perlenkette!
Speziell interessant waren die Begegnungen mit den auf dem Wasser lebenden Menschen in ihren schwimmenden „Dörfer“. Seit Generationen leben die Menschen hier auf dem Wasser. Das Fischerdorf Cua Van ist eines von vier schwimmenden Dörfern in der Halong-Bucht. Die Holzhütten stehen auf Pontons; sie haben Fernseher und Strom vom Generator – aber keine Kanalisation. So viel zum Thema „Prioritäten“.
Unser Zimmer im Hotel übergaben wir den beiden Jungs (Fahrer und Reiseführer, sie hatten bis dato noch nie in einem Hotel geschlafen). Somit war der Ausflug für alle ein spezielles und tolles Erlebnis.
Weiter ging es auf meist sehr holprigen Strassen Richtung Norden. Ein Europäer käme nie am richtigen Ort an, es gab praktisch keine Wegweiser – und wenn es welche gegeben hätte, wie z.B. „Biển hiệu ở Việt Nam“, dann hätten wir es eh nicht verstanden. Eine Abzweigung, die mit sehr viel Phantasie und im Ansatz Ähnlichkeit mit einer Hauptstrasse hatte und jeder von uns genommen hätte, die führte ins Nirgendwo. Ein Feldweg war dann allerdings die richtige Abzweigung!! Spannend!
Unser Aufenthalt in Sa Pa mit seinem sehr lebendigen und farbigen Markt, die Reisfelder, die Fahrt ganz in den Norden an die chinesische Grenze – immer wieder fantastisch und auch eine Herausforderung. Es regnete viel und es war kalt. Unzählige Hangrutsche versperrten immer wieder und mehrfach täglich unsere Weiterfahrt. Meist mussten wir eine Stunde und länger warten, bis ein Bagger eine Schicht vom Hangrutsch für eine Durchfahrt freigemacht hatte. Dann fuhren erst die einen, dann die von der anderen Hangseite über „die Strasse“, dann wurde wieder für gut eine Stunde abgetragen etc. etc. etc. Dies haben wir unzählige Male erlebt – und die Vietnamesen haben das mit einer stoischen Ruhe ausgehalten. Sehr nachdenklich machten uns die Häuser, welche durch den Regen einfach den Hang runter rutschten, unbewohnbar für die armen Leute. Erstaunlich für uns war, wie unglaublich tüchtig die Menschen vor allem in der Mitte des Landes und im Norden sind. Noch erstaunlicher: sehr viele Frauen arbeiten in Sägereien und im Strassenbau!!
Wenn wir Reisen, haben wir meistens abgepackte Süssigkeiten für die Kinder dabei welche wir dann verteilen. Da gibt es so manche spezielle Episoden die uns zum Schmunzeln bringen. So zum Beispiel die zwei Buben auf dem Fahrrad. Der eine hat geradelt, der andere sass hinten drauf. Auf uns haben sie den Eindruck „Freunde fürs Leben“ gemacht. Als der Vordere die Süssigkeiten gesehen hat (der Zweite konnte es aufgrund seiner Position nicht sehen) war „amici per la pelle“ vorbei…. Er sprang auf der Stelle vom fahrenden!! Fahrrad ab und überlies seinen Kumpel dem Schicksal – dem steilen Strassengraben. Der zerschundene Arme bekam von uns 2 oder sogar 3 Süssigkeiten und die Welt war wieder in Ordnung. Für uns sind die Begegnungen mit den Kindern immer bezaubernd – obwohl sie fast nichts besitzen zeigen sie uns die Fröhlichkeit. Ihre grossen Augen strahlen und unsere Herzen schmelzen.
An der Grenze kamen wir zu einem Wasserfall, dessen Fluss China und Vietnam trennt. Über Stufen fällt das Wasser runter und wir waren überwältigt von der Schönheit. Damals war ausser drei einheimischen Fischern kein Mensch dort. Mittlerweile dürfte dieser wunderschöne Ort eine touristische Attraktion sein.
Dien Bien Phu, Da Nang, Hai Phong, Nha Trang, Hue, Hoi An………..waren weitere Stationen. Gegessen haben wir sehr oft in kleinen Hütten direkt an der staubigen oder schlammigen Strasse. Wir waren sehr mutig. Doch das Essen war köstlich, immer frisch zubereitet und wir hatten nie gesundheitliche Probleme. Eindrücklich waren auch die Besuche von „Nudelfabriken“ – das meiste wird im Freien hergestellt, unter einem Palmendach und in Handarbeit. Die Nudeln werden vor Ort auch eingeräuchert. Eine spezielle, ja ich würde sagen, endemische Technik die so nur in Vietnam vorkommt. Man nehme die Nudeln und lasse sie am Strassenrad trocknen – die vorbeifahrenden, abgasreichen Auspuffe machen den Rest. Unsere Lebensmittelinspektorinnen und Inspektoren hätten da wirklich etwas zu bemängeln.
Speziell waren für uns die häufigen Überschwemmungen und die unglaubliche Ruhe, mit der die Einheimischen dies bewältigten. Für eine Hochzeitsgesellschaft war der Weg zur Kapelle durch das hohe Wasser nicht zu erreichen – kurzerhand wurden von den Fischern im Umland die Boote gechartert und dann zur Kapelle gerudert. Flexibel die Leute und erst noch soooooo romantisch.
Natürlich mussten wir im Süden nebst Ho Chi Minh City auch zu den Höhlen von Cu Chi. Dies kannte ich zwar aus Filmen und Bildern, doch dies in Natura zu sehen, war ganz anders. Und die Tunnels, die mussten für die Touristen mehrfach grösser gemacht werden – unsere Hintern sind definitiv viel grösser als die der eher kleinwüchsigen Einheimischen. Diese Bunkeranlagen waren rund 200km lang und auf mehreren Stufen bis 25 m tief im Boden. Schlafzimmer, Küchen, Lazarette, Büros, Spitäler – alles war da, für Tausende!! Schlau die Vietnamesen – nicht umsonst haben sie den Krieg gewonnen.
Am Ende unserer Reise spannen wir uns auf der Insel Phu Quoc ein paar Tage aus. Um dorthin zu kommen gibt es zwei Möglichkeiten – fliegen oder mit dem Speed Boot. Joly wollte unbedingt mit dem Speed Boot und freute sich wie ein kleines Kind. Sie sah sich schon entspannt auf dem Deck mit den Haaren im Winde und das Gesicht in der Sonne, liegen– doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Das Speed Boot hatte nur ein Unterdeck. Das Wasser an diesem Tag war sehr wild und entsprechend rüpelig war die Fahrt. Neben Joly sass ein Einheimischer der schon nach 10 Minuten Fahrt die Kotztüte erfolgreich austestete, andere Einheimische machten es ihm reihenweise nach. Joly selbst verbrachte 2 Stunden in bewegungsloser Pose, die Augen starr an die Wand gerichtet. Nur ihre Gesichtsfarbe veränderte sich – die wurde nämlich immer grauer. Am Ende der Fahrt teilte sie mit einer Handbewegung mit, dass sie für die nächsten Stunden ihre Ruhe benötigt.
Und so verbrachten wir auf der wunderschönen, beinahe einsamen Strand von Phu Quoc mit kristallklarem Wasser sehr viele gemütliche Stunden mit viel „dolce far niente“.
Fazit: wunderbare, sehr freundliche und tüchtige Menschen, tolle Landschaften, schöne alte Städte, Norden für uns um Welten schöner und kaum touristisch.
Vietnam – immer wieder. Doch Joly hat immer wieder sehr sehr gute Argumente um andere Reisedestinationen vorzuschlagen.
Reisezeit: Dez./Jan. 2008/2009