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Patagonien

Ein unberührtes Naturparadies

Zahlreiche Nationalparks wie die Torres del Paine mit den schneebedeckten Zinnen, die unendliche argentinische Hochlandsteppe, staubige Schotterpisten die zu den schönsten Bergen wie „Cerro Torre“ oder „Fitz Roy“ führen, Pinguinkolonien, mächtige Gletscher wie der Perito Moreno…….all das und noch viel mehr ist Patagonien – eines der für uns faszinierendsten Naturparadiese der Welt. 

Endlos zieht sich die Strasse bis an den Horizont, kein Baum, kein Strauch – nichts absolut nichts. Und trotzdem – wir sind von Glückseligkeit beflügelt. Wie ist es nur möglich, dass diese unglaubliche Leere uns mit ein so kraftvolles Gefühl von Freiheit erfüllen kann? Unsere Sinne sind hellwach. Wir saugen ganz bewusst jedes Geräusch, jede Bewegung und jeden Geruch ein. Sogar die Schotterpiste und die Schlaglöcher die uns eine Dualmassage liefern, können unsere Stimmung nicht beeinträchtigen.

Wir tauchen zu Fuss in diese Weite – und plötzlich…… waren Sie da – die vielen Augen und doppelt so viele Beine. Und als sie mich sahen, blieben sie wie auf Kommando bockstill stehen. Nur einen Augenblick lang, als würden sie gemeinsam nachdenken und entscheiden – zurück oder vorwärts. Vermutlich haben sie anhand meiner Reaktion und Körpersprache bemerkt, (Schafe sind intelligent) dass ich fassungslos war und nicht wusste, was ich jetzt tun sollte. Sie wussten es – Flucht nach vorne. Eine Lawine Wolle rollte unaufhaltsam auf mich zu. Ich werde nie mehr frieren dachte ich noch, bevor sie im Höllentempo an mir vorbei  rasten als wäre ich nicht da. Ich hörte hunderte von Vierbeiner blöken und das Gebimmel der Glocken, konnte aber aufgrund des riesen Staubwirbels vorerst nichts sehen. Bevor ich realisieren konnte was überhaupt passiert war, war der Spuk schon vorbei.

Nur der Staub in meinem Mund, meine Starrheit und die irgendwie geschossenen Bilder bezeugten, dass ich nicht geträumt hatte.

Wir fahren weiter und irgendwann ist die Strasse zu Ende. Das bedeutet, ab hier nur noch zu Fuss oder mit dem Pferd weiter.

Also….  satteln wir unser Gepäck auf ein Pferd welches uns Louis, ein sympathischer Gaucho mit noch sympathischerer Mutter zur Verfügung stellt und ziehen zu Fuss in Richtung Fundo San Lorenzo los. Dort wartet die Familie San Luis auf uns. Wir dürfen die nächsten 3 Tage bei ihnen verbringen. Wir haben Traumwetter und auf den Weg dorthin können wir vorahnen, was uns in den nächsten Tagen an Highlights erwartet.

Auf den Landsitz San Luis ist Hochbetrieb. So müssen zum Beispiel die Pferde geimpft werden – keine einfache Sache – wenn diese nicht gezähmt sind und zuerst eingefangen werden müssen. Zudem ist Weihnachtszeit – und da kann und darf der Asado nicht fehlen!

Die vorhin erwähnte sympathische Mutter (82ährig) kommt alleine und auf hohem Ross geritten. Sie will Neujahr mit ihrer Familie feiern. Der Weg von ihr zuhause bis zum Fundo dauert 3 Reitstunden und sie muss einen Fluss durchqueren – eine Brücke fehlt auf ihrem Weg. Ich eile der älteren Dame entgegen und helfe ihr ab dem Ross. Da ich vermute, dass sie etwas wackelig auf den Beinen ist, biete ich ihr mein Arm und laufe aus Rücksicht sehr langsam. Plötzlich tätschelt sie meine Hand und sagt: disculpe chica, tengo que ir al baño – sie löst sich von meinem Arm, lächelt mich schelmisch an und läuft im zügigen Tempo Richtung baño davon. Bei diesem Anblick bleibt mir die Spuke weg. Die Lady hat mir eine Lektion gegeben.  Leute nie unterschätzen – auch ältere nicht! Bravo.

Wir stehen da und können nur noch eines – staunen. Diese gigantische Kulisse raubt uns die Sprache. Jedes Wort wäre ungeeignet um dieses Naturspektakels zu beschreiben. Tränen der Freude und des Staunens fliessen. Es ist unmöglich das Gefühl in Worten auszudrücken. Wir fühlen uns klein und sind unendlich dankbar, dass wir dieses Naturwunder mit unseren Augen sehen dürfen.

Der krönende Abschluss unserer Patagonien-Reise macht die Umwanderung des Torres del Paine-Massivs

Wir satteln unsere Rucksäcke für die nächsten 6 Tage – entsprechend schwer und unförmig lasten sie auf unseren Rücken. Aus lauter Freude auf die bevorstehende Wanderung wird dieses Detail ausgeblendet und wir können es kaum erwarten den ersten Schritt zu tun.

Die erste Etappe sollte uns zum Camp Seron führen. Doch dieser ist geschlossen. Das bedeutet für uns, dass wir heute zwei Etappen bis zum nächsten Camp gehen müssen. Ganze 11 Stunden sind wir unterwegs. Der Weg zum Camp Dickson ist zum Glück ziemlich eben. Unendliche Margariten-Felder und wunderschöne Sujets lenken uns ab und lassen die riesige Distanz – immerhin 33 km – etwas angenehmer vergehen. Als wir im Camp Dickson ankommen sind wir alle geschafft und freuen uns, heute keinen einzigen Schritt mehr zu tun. Zum Glück hat es im Refugio freie Zimmer und wir können nach einem leckeren Nachtessen mit frisch gebackenem Brot die Nacht in warmen Mehrbettschlafräumen ausruhen und neue Kräfte für die nächste Etappe sammeln.

Die nächste Etappe führt uns flussaufwärts mal durch den Wald, mal über Baumstämme hinweg, mal über riesige Geröllhalden oder auf offenem Gelände bis zum Camp Los Perros. Am Abend zeigen uns unsere Guides, wie unter sehr einfachen Bedingungen leckere Speisen zubereitet werden können.

Der Höhepunkt der nächsten Etappe ist die Überquerung des John Garner-Pass (1‘241m). Nach dem recht beschwerlichen Aufstieg, zuerst durch sehr sumpfiges und oberhalb der Baumgrenze durch steiniges Gelände, erreichen wir den Jon Garner-Pass. Es ist höllisch kalt, der Wind tut sein übriges – Kurt, der nie Handschuhe trägt, zieht sie hier an!! Hier oben haben wir eine spektakuläre Aussicht auf den Grey-Gletscher, dessen Eisströme vom Inlandeis des campo de Hielo Sur kommen und in den Lage Grey kalben.

Die letzte Gruppe die den Pass überquerte, musste sich an grosse Steine halten um von Aiolos (Windgott) nicht zurückgeschleudert zu werden. Wir hingegen können sogar am Übergang für ein Fotoshooting posieren.

Wir steigen sehr steil hinab, zunächst im Geröll und dann im Wald, bis an den Ostrand des Grey-Gletschers und müssen – je nach Verhältnissen – ein paar kleine Leitern überwinden – eine nicht wirklich einfache Sache mit unseren schweren und unförmigen Rucksäcken. Unsere Anstrengungen werden aber immer wieder mit sensationellen Ausblicken auf das riesige Eisfeld belohnt.

Erfüllt von einem eindrucksvollen Trekkingtag und angenehm müde erreichen wir das Refugio Grey, wo wir wieder in warmen Mehrbettzimmern übernachten können.

Die vierte (respektive fünfte Etappe) führt uns zum Lago Pehoe. Wir wandern am Seeufer entlang und können auf die kalbende Gletscherzunge zurückblicken.  Vor uns der Lago Pehoe mit Türkis schimmernden Farben. Was für ein Anblick! Der Katamaran fährt uns zur Ranger Station wo unser Fahrzeug auf uns wartet um uns zum Torres Camp zu fahren,  wo wir unser letztes Lager einrichten.

Unsere letzte Tageswanderung führt uns zum Mirador Base Torres. Es ist eine anstrengende Wanderung. Es geht stetig und recht steil hinauf in diesem felsdurchsetzten Gelände. Der Buchenwald versperrt uns zunächst den freien Blick bis wir nach ca. 1 Std. die Baumgrenze erreichen.  Und plötzlich stehen wir völlig überwältigt vor dieser unvergesslichen Szenerie – vor uns die drei Granittürme, die bis 2.800m hoch im Himmel aufragen.  Grandios – Mächtig – Spektakulär – Dreimalig………..

Nicht zuletzt wegen solchen Bildern gehen alle Anstrengungen, die leidenden Füsse, die anderen Wehwehchen an der Hüfte und an den Knien sofort vergessen – das Bild ist einfach atemberaubend.  

Ein anstrengendes, aber äusserst lohnendes Trekking. Und… wir haben eine Pause mehr als verdient.

Reisezeit: Dez./Jan. 2007/2008

Und hier noch ein wunderschöner Videobeitrag von TIMESTORM FILMS