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06 – CH – Die Fischer von Gaiman und das weisse Pferd

Liebe Freunde, Bekannte und unbekannte Leser, wir möchten uns für die positiven Rückmeldungen zu unseren Berichten herzlichst bedanken – es freut uns ausserordentlich, dass es uns gelungen ist, euch mit unseren Erzählungen und Fotos zu begeistern und ein Stück auf unseren Weg mitzunehmen.

Nun möchten wir zum letzten Mal in diesem Jahr euch nochmals auf unsere Reise entführen.

Das Wiedersehen mit German, unserem argentinischer Freund aus Gaiman (siehe auch: https://suitaontour.com/04-ar-begegnungen/) war wiederum ein Highlight. 9 Ché’s (Jungs), alles begeisterte Sportfischer (einer kommt sogar extra aus Brasilien), treffen sich jedes Jahr, um 1 Woche zusammen zu fischen. Das diesjährige Treffen war in Rio Pico, am Lago 1. (ca. 200 km südlich von Esquel)

Wir durften sie einige Tage begleiten und so erlebten wir, wie unter einfachsten Verhältnissen und mit sehr sehr wenig – einem Feuer, genug Fleisch und Bier – Grossartiges entsteht. Gegessen wurde mit Gaucho-Besteck und falls dies fehlte (wie bei uns), so hat uns die Natur mit Händen und Finger beschenkt!

Kommt mit… und erlebt mit uns ein Fischertag:

Die Jungs hatten gehört, dass «MANN» am Rio Nilsson gut Forellen fischen kann. Keiner von Ihnen und wir schon gar nicht hatten eine Ahnung, wo sich der Rio Nilsson befindet. Eine von Hand gezeichnete Skizze war die einzige Vorlage. Eine spezielle Markierung war: «Dort wo ein weisses Pferd steht, geht es nach rechts»! Eine weitere Markierung war: «Holzgatter mit Schloss das nur mit einem speziellen Schlüssel geöffnet werden kann» (der Schlüssel lag vor).

Mit diesen «ausführlichen Informationen» und 4 voll beladene Hilux, mit unzähligen Fliegen in allen Farben, mindestens einem ½ Lamm und einer Menge anderen Fleisches und X-Liter Bier, fuhren wir «bestens informiert» aber ohne gescheite Orientierung los in Richtung Rio Nilsson. Müsst ihr auch etwas schmunzeln? Erwachsene „Pfadibuebe“…resp. «einfach Jungs». Passt.

Über eine staubige Rüttelpiste, Pfützen und sonstige Hindernisse wie z.B. Kühe auf dem Weg kommen wir erstaunlich gut voran – doch das weisse Pferd…… da gab es mehrere davon auf der Strecke! Welches Pferd war jetzt unser Wegweiser? Auch liessen sich Schlösser nicht öffnen…. Die Handskizze wird nochmals genauer betrachtet und pfadfinderisch besprochen. Ein anderer «Fischerman» übernimmt die Führung und sagt: «Hey Ché, einfach mir nach»! Er biegt nach links ab, dann nach rechts, öffnet die Gatter als würde er täglich diese Strecke fahren. „Er ist nebst Fischer auch Hellseher“ sage ich zu Kurt („er hat einfach Dusel“ meint Kurt 😊).

Nach mehreren Kilometer dicht bewaldetem Niemandsland gelangen wir in eine Lichtung mit einer einsamen Hütte – kein Rio in Sicht und auch kein Rauschen in Hörweite. Oh Gott denke ich für mich, zum Glück sind wir nicht im Pygmäen-Land. Einige von uns sind «corditos» (gut beleibt…) Kein GPS dieser Erde würde unsere Überreste hier wiederfinden.

Aber alles ist halb so wild, auch die zwei Gauchos die unvermittelt auf hohem Ross aus dem Nichts dahergeritten kommen. Sehr freundlich erklären Sie, dass der Rio Nilsson sich in wenigen Meter Entfernung hinter den dichten Büschen befindet und wir hier gerne rasten können.

Und so geht jeder den eigenen Weg. Die Fischer schwingen die Fischerrute – die Einen angeln Forellen, ein Anderer hingegen den (im Wasser verlorenen ) eigenen Pass😊 und der angehende Gaucho Kurt versucht sein Glück beim Lasso werfen (und trifft erst noch gut). Ich hingegen geniesse einfach den Tag. Doch wenn die Mägen knurren, dann treffen sich wie auf Kommando alle wieder. Der Eine holt das Holz, der Andere macht Feuer, ein anderer würzt das Fleisch, der Andere holt das Bier… Kurt und ich hatten die Aufgabe, für die Jungs eine «Picada» (eine Art Bernerplatte) als Aperitif vorzubereiten. Das war der einzige Stressmoment des Tages – 9 Fischer essen eben schneller als wir schneiden mögen…..

Für uns ist es Zeit, von den sympathischen Chés und Argentinien Abschied zu nehmen. Und so gelangen wir über unzähligen Kurven und einer abwechslungsreichen Landschaft nach Chile. Unser Ziel Chaiten erreichen wir bei schönem Wetter am früheren Nachmittag. Schon beim Eintreffen in dieser Stadt haben wir das Gefühl, hier stimmt etwas nicht.

Überdimensioniert breite und menschenleere Strassen, der Wind weht und wirbelt den Staub auf. Viele Häuser sind am Zerfallen – viele sind in einem erbärmlichen Zustand, halb abgerissen, andere verbrannt. Wir schauen uns um – um zu sehen ob irgendwo Clint Eastwood oder John Wayne um die Ecke reitet. Wir sehen aber nur den rauchenden Vulkan Chaiten. Wir überqueren auf der Südseite des Dorfes den Fluss; dort steht auf einer Tafel geschrieben: «Peligro, aqua contaminada»!

Wir lesen und erfahren, dass Chaiten die Hauptstadt der Provinz Palena ist. Sie zählte vor dem Vulkanausbruch um die 3’300 Einwohner.
Niemand hatte damit gerechnet, dass der Volcán Chaiten je wieder ausbrechen würde. Und plötzlich geschah es doch… am 2. Mai 2008 begann 10 km nordöstlich der Stadt eine einen Monat andauernde Eruption mit einer 20 km hohen Aschesäule. Die Katastrophe löste Flutwellen aus und es entstand schwerer Schaden an Wohnhäusern, Strassen und Brücken. Ein Grossteil der Stadt wurde durch die Flutwelle zusätzlich mit Schlamm verboteniert und vergiftet. Alle Einwohner mussten evakuiert werden. Tausende Tiere starben und die Asche wurde bis nach Buenos Aires getragen.

Gemäss der Einheimischen sind etwas über die Hälfte der Menschen wieder zurück nach Chaiten (Wikipedia sagt 700!) und versuchen, sich wieder eine Existenz aufzubauen. Ein Beispiel: unser Campinggastgeber ist Elektriker. Er macht Gelegenheitsjobs im Städtchen und im Umkreis von 100 km Distanz, dann Taxidienste in der Umgebung und zudem betreibt er eben ein Kleinstcamping. Wie er sagt, geht es ihm gut und er ist wesentlich zufriedener als in der Hauptstadt Santiago, wo er 30 Jahre lebte.

Die Stadt erholt sich langsam wieder, doch die Spuren sind da und werden sie wohl noch einige Jahre prägen.

Um der Kälte zu entkommen ziehen wir über die Carretera Austral (Ruta 7) in Richtung Norden. Die Ruta 7 beginnt in Puerto Montt und zieht sich über mehr als 1’200 Km bis Villa O’Higgins im Süden. Obwohl die Chilenos tapfer am Arbeiten sind, ist die Strecke noch nicht überall asphaltiert und auch nicht immer durchgehend fahrbar. So müssen wir z.B. für die Strecke Chaiten – Puerto Montt 3x auf eine Fähre.

Die Strecke Fiordo Largo nach Leptepú ist ein kurzes Wegstück von 10 Km. Die gesamte Schiffsladung muss diese Strecke zusammen durchfahren, weil alle auf die nächste Fähre müssen. Die Strasse ist nicht asphaltiert und es hat einige Tage nicht geregnet – eine 10 Km lange Staubfahne! Mit Schrecken denke ich an die folgende Putzarbeit…….

Puerto Montt liegt sehr schön am Pazifik. Über der Stadt thront der aktive Vulkan Calcabuco. Sie ist nicht nur die Hauptstadt des Seengebietes, sondern auch eine staugeplagte Stadt. Die Wirtschaft wächst sehr schnell – aber irgendwie haben wir das Gefühl, dass die Stadt damit überfordert ist. Grosse Einkaufzentren und sehr viele Werkstätte sind hier zu finden – aber keine Parkplätze – und so parken alle am Strassenrand und verursachen ein gewaltiges Verkehrschaos.

Wir sind uns an «Stadt- und Verkehrschaos» nicht mehr gewöhnt und bleiben in Puerto Montt nur solange es notwendig ist um unsere Einkäufe zu tätigen, Wäsche waschen, Haare schneiden, Werkzeug «Torx» kaufen, Sprinti waschen (was uns nach 7 !!! Anläufen auch gelingt) und natürlich schlendern wir auch durch den malerischen Fischereihafen Angelmó und essen Unmengen an frischen Muscheln, Seeigel, Lachs und Merluza – halt eben gesund…..(Kontrastprogramm zum argentinischen Fleischverzehr).

Uns zieht es aber nach Chiloé – wir wollen die „Palafittos“ mit den Schindeln auf Dächern und Wänden die jedem Wetter trotzen, unbedingt sehen. Denn wenn sie auf Chiloé eines können, dann Häuser und Kirchen aus Holz bauen. Die Pfähle sind aus Alerce-Holz und diese können Jahrzehnte ohne Schaden zu nehmen im Wasser stehen (ausser Erdbeben zerstören sie).

In der Hauptstadt Castro kann man sie noch als eine Wasserfront besichtigen. Bunt bemalt in gelb, blau, grün leuchten sie in der Sonne. Manche werden bewohnt, doch die meisten wurden als Hostals, Restaurant oder Café eingerichtet.

Sanfte Hügel, smaragdgrünes Wasser, einsame und nebelverhangene Strände sorgen dafür, dass aus Chiloe eine Oase der Ruhe wird. Eine geheimnisvolle Anziehungskraft geht von ihr aus – und so lassen auch wir uns von ihr faszinieren und Kurt versucht sogar die Sonne einzufangen und verbrennt sich dabei die Finger 😊😊.

Wir, das suitaontour-Team (Sara, Bulli, Joly und Kurt) wünschen Euch von Herzen fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!.
Wir freuen uns schon jetzt auf eure weiteren und spannenden Rückmeldungen.

Tschüss zäme – Gracias y hasta la proxima!