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18 – PE – Eine Brücke nur aus Gras – Auf den Spuren der Inkas

Gefahrene Route „Auf den Spuren der Inkas“

Wir überqueren zum 19 Mal die Grenze, diesmal ist es die bolivianisch-peruanische. Pflichtbewusst wie wir sind, fragen wir sofort nach einem Büro, in welchem wir die Autoversicherung für Peru lösen können. «Es gibt hier kein solches Büro» sagt uns der Beamte und lächelt süffisant. «Diese Versicherung könnt ihr nur in Puno, 3 Autostunden weg von hier lösen». Kein Problem für uns sagen wir – wir wollen eh nach Puno fahren…

Das Grinsen des Beamten wird noch breiter und sagt: «No no señor, el coche se queda aqui, Perú no se le permite continuar sin seguro. Ihr könnt entweder mit einem Colectivo (Kleinbus) fahren, oder ich kann auch gerne für euch ein Taxi rufen» – und hebt den Telefonhörer ab….
Da wir gewisse Verhaltensweisen nun bereits kennen fragen wir «nach einer Alternative». Er spricht mit seinem Chef und meint, dass der Chef «uns gerne einen Gefallen tun und uns bis nach Puno mit dem eigenen Auto fahren lassen würde…………, wenn………» Nachdem wir um CHF 30 leichter geworden sind, können wir ungehindert unsere Reise fortsetzen. Soviel zum Thema «Fahren ohne Versicherung in Peru» 😊😊😊

Kaum ein paar hundert Meter nach der Grenze fällt uns der Unterschied zwischen diesen beiden Ländern auf.
Mit unendlicher Wohltat stellen wir fest, dass Peru weitaus sauberer ist als Bolivien. Auch die Häuser sind hier sehr häufig mit Farbe angestrichen und welche Freude… die Menschen sind ein Mehrfaches freundlicher und gegenüber Touristen wohlgesinnt.

Der Weg führt uns zu der Halbinsel Chucuito am Titicacasee. Wir haben gelesen, dass diese Insel eine unglaubliche Ruhe ausstrahlen soll. Und tatsächlich – wer an diesen Ort abbiegt, wo sogar MAPS.ME den richtigen Weg nicht findet, wird in das Geburtsjahr von Kurt oder noch weiter zurück katapultiert.
Auf der Strasse begegnen wir jungen Hirten mit ihren Schafherden, ältere Männer die gerade ihr Vieh vom Feld zurückholen, Esel voll beladen mit Gras, Frauen die den Mais von den Kolben lösen… was für eine Szenerie für unsere Augen – einfach fantastisch – hier ist die Welt wirklich noch in Ordnung.
Zudem umgibt diesen Ort eine uralte Sage – hier sollen die Körper von «Gentiles» in kleine Chullpitas (Grabtürme) liegen. Gentiles sind kleine Menschen, die hier lebten bevor die Sonne geboren wurde.

Weiter besuchen wir im Monat Mai das Dorf Juli 😊, auch bekannt als Pequeña Roma wegen ihrer vier Kolonialkirchen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Wer hier Ähnlichkeit mit der wirklichen ROM sucht, der sucht umsonst. Uns hat das verschlafene Dorf trotzdem gefallen. Zudem ist es für ein anderes, sehr merkwürdiges Ereignis bekannt und gefürchtet.
Im Jahr 2004 wurde der damalige Bürgermeister, Camilo Robles, vom Volk gebeten, infolge Korruption und Nichteinhalten von Wahlversprechen das Amt abzulegen. Der weigerte sich und so nahmen die «pequeños Romanitos» das Gesetz in die eigene Hand und lynchten den Bürgermeister kurzerhand. VIVA ROMA – aber eigentlich sind wir auf den Spuren der Inkas….

…und denen begegnen wir ab jetzt immer wieder, so z.B. in Sillustani, wiederum eine Halbinsel am Umayosee. Hier wurden die Adeligen der Inkas bestattet. Die Chullpas (Grabtürme) thronen an der schönsten Aussicht. Die Höchsten unter ihnen erreichen eine Höhe von 12m. Diese beherbergten die Überreste ganzer Familienclans, zusammen mit grossen Mengen Lebensmitteln und Gepäck für die Reise in die nächste Welt.
Ihre einzige Öffnung war ein kleines, nach Osten gerichtetes Loch, gerade gross genug, dass eine Person hindurchkrabbeln konnte. Auch Kurt will sein Glück versuchen – er hat aber die Masse eines Europäers und nicht Südamerikaners und scheitert somit kläglich. Zudem will er noch viele Jahre mit mir zusammen reisen….

Und so reisen wir gemeinsam weiter nach Puno (wo wir auch unsere Versicherung lösen), einer der wichtigen Ausgangsorte zum Titicacasee. Nachdem wir einen sicheren Platz für Sprinti finden, buchen wir für den nächsten Tag eine Fahrt zu der Isla Taquile – eine rund 3stündige Bootsfahrt. Die Fahrt führt an den berühmten Uros-Inseln (schwimmenden Inseln) vorbei. Die kennen wir von einer früheren Reise und wir waren sehr gespannt, was sich dort wohl alles in den letzten 13 Jahren geändert hat.

Und was wir hier zu sehen bekommen erschlägt uns beinahe…

Vor Jahrhunderten schufen die Uru die Islas Uros um sich vor aggressiveren ethnischen Gruppen vom Festland wie den Inkas zu schützen. Leider ist es Ihnen nicht gelungen, vor allem des Geldes wegen, sich heute vom Massentourismus zu schützen. Es schmerzt uns zu sehen, wie die Frauen in farbenfrohen Trachten am Rand ihrer kleinen Schilfoasen wie Marionetten winkend und tanzend um die Touristenboote buhlen. Noch schlimmer kommt es bei der Verabschiedung (aus den vorausgesagten max. 40 Min. wurden 2h…). Nachdem das tägliche Vorstellprogramm mit Artesania-Verkauf vollgezogen ist, wird das Lied «My Bonnie is over the ocean» für uns gesungen …. Interessant für uns war, dass wir vor unserer Ankunft in Puno an der Strasse ein Ehepaar besuchen durften, welches am See mit dem Schilf Matten, Häuser, Stühle, Sonnenschirme herstellte – – FÜR DIE URUS auf den Inseln……. (siehe Bilder).

Kaum fahren wir weg, beginnt das Rösslispiel wieder von vorne – das nächste Boot ist schon in Sicht…. Es würgt in unseren Hälsen, für uns ist das die hässliche Seite des Massentourismus.

Zum Glück geht die Fahrt zum eigentlichen Tagesziel weiter, die Isla Taquile, die unsere Stimmung aufheitert. Eine wunderschöne, steinige, mit verschiedenen Kakteen versetzte Landschaft die an eine Mittelmeer-Region erinnert und vom Tourismus noch recht verschont geblieben ist. Schwer atmend wandern wir vom Bootssteg den Berg hoch – immerhin sind wir auf 4’000m.ü.M – und staunen immer wieder über die hübsch mit Blumen geschmückten Häuser und die sauberen Gehpfade. Wir atmen so gut wie wir können die wirklich noch frische Luft tief ein – denn hier gibt es keine Autos.

Auf Taquile wohnen ca. 2200 Menschen mit einem ausgeprägten Bewusstsein für ihre Identität. Die Insel weist eine faszinierende Handwerkstradition auf. Alle Arbeiten werden nach tief verwurzelten, sozialen Sitten und Gebräuchen hergestellt. Auch ihre Kleidung weist auf eine jahrhundertealte Tradition hin. So tragen z.B. die Männer selbst gestrickte Wollmützen, die zugleich als Standessymbole dienen, verheiratete Männer tragen rote, Junggesellen rot-weisse Mützen, Jungen braune. Ungewöhnlich auf dieser Insel ist, dass die Männer ab dem 8 Lebensjahr stricken und die Frauen weben.

Wir verlassen am Nachmittag diese wunderschöne Insel mit der Hoffnung, dass diese noch lange so erhalten bleiben wird.

Unsere Reise führt uns nach Arequipa – der so genannten «weissen Stadt», weil der Baustoff der Zentrumsbauten weiss ist. Ein gescheiter Bürgermeister hat vor langer Zeit verlangt, dass nebst der naturweissen Bauten alle Fassaden des Stadtkerns immer weiss gestrichen werden müssen (gilt übrigens auch für Sucre in Bolivien). Wir erfahren, dass die Aymara der Stadt den Namen gaben. Ari bedeutet in ihrer Sprache «Gipfel» und quipa bedeutet «dahinterliegend». Arequipa ist also der Ort der hinter dem Gipfel liegt, genauer gesagt hinter dem Gipfel des Vulkans «El Misti».

Arequipa befindet sich in einer seismisch gefährdeten Lage, regelmässig wird die Region von Erdbeben erschüttert. Das letzte sehr grosse im 2001 fügte der Stadt beträchtliche Schäden zu. Zum Glück widerstehen die grossartigen Bauwerke aus lokalem weissem Sillar-Vulkangestein den wiederkehrenden Heimsuchungen von Mutter Erde ziemlich gut.

Wir sind vom Stadtkern absolut begeistert und taxieren die Plaza de Armas mit seiner atemberaubend schönen Kathedrale, welche sich über die gesamte Länge des Platzes erstreckt, als schönste Plaza welche wir bis jetzt in Südamerika gesehen haben.
Zudem kommt noch dazu, dass Arequipa eine fundamentale Rolle in der peruanischen Gastronomie spielt. Hier wurden mittlerweile im ganzen Land berühmte Spezialitäten wie z.B. rocoto relleno (gefüllte scharfe Chilis), chupe de camarones (Krabbensuppe) ocopa (gekochte Kartoffeln in einer cremigen, würzigen Sauce), erfunden.
Könnt ihr euch vorstellen wie viele Schlemmerfeste wir hier 10 Tage lang gefeiert haben (wir haben nie selber gekocht in diesen Tagen 😊)? Wir wollten nicht mehr weiter…

Auf unseren Spaziergängen im Zentrum sehen wir immer wieder Hinweise auf die „Ruta Sillar“. Was ist das? Wir erkundigen uns und erfahren, dass eben dort der weisse Stein herkommt, mit welchem die wunderschönen Bauten der Stadt erstellt wurden – der Steinbruch sei heute noch in Betrieb. Klar buchen wir für den nächsten Tag die „Ruta Sillar“. Nicht weit ausserhalb der Stadt ist dieser Graben. Unser äusserst engagierter Guide erzählt viele tolle Geschichten zum Steinbruch und auch anderern peruanischen Themen. Wir können einem Arbeiter bei der Arbeit zusehen. Mit einer Stahlschablone und einem Kohlestück kennzeichnet er die Grösse des Steins, den er haben will. Auseinandersprengen des zu grossen Steinblockes geht ganz einfach. Er macht mit seinem schweren „Schabwerkzeug“ einen kleinen ca. 7cm tiefen Spalt, setzt einen Keil rein (mit einem Schutzmaterial um den Keil) und mit nur einem einzigen Schlag bricht der Stein in zwei Teile (eine Touristin machte das bei unserem Besuch). Danach wird der Stein mit einem über 5kg schweren Hammer grob bearbeitet, den Feinschliff erhält er mit dem „Schaber“.

In der Blütezeit des Bruchs arbeiteten rund 530 Männer hier, heute sind es vielleicht noch ca. 50. Gemäss Guide könne (theoretisch) jeder hier arbeiten und Steine für sein Haus holen – in der Praxis ist es jedoch klar geregelt, wer hier vieviele Steine aus dem Bruch holt und verkaufen kann. Nun wissen wir auch – eben weil der Stein sehr einfach zu bearbeiten ist – weshalb auch heute noch die imposanten Eingangsportale der Banken und anderen teuren Häuser in der Stadt so gebaut werden.

Die weiteren Sehenswürdigkeiten, darunter das Monasterio de Santa Catalina, welche Arequipa zu bieten hat, haben wir uns für den August aufgehoben. Da kommen nämlich unsere 2 Freundinnen Fränzi und Michaela uns für eine 3-wöchige Rundreise besuchen. Gemeinsam werden wir dann unter anderem auch Arequipa wieder unsicher machen.

Schweren Herzens verlassen wir die Stadt und machen uns auf den Weg Richtung Colca-Tal.
Natürlich will Kurt nicht den einfachen Weg fahren und so benötigen wir für eine Strecke von 54 Kilometer sage und schreibe mehr als 6 Stunden ☹. Könnt ihr euch vorstellen in welchem Zustand diese «Strasse» sich befindet? Häufig ähnelt sie eher einem Bachbett denn einem Weg – was wir Sprinti zumuten, ist fast unverschämt – doch die Landschaft ist umwerfend.

Die Dunkelheit in dieser Jahreszeit (Herbst/Winter) lässt sich sehr früh nieder und wir werden einmal mehr gezwungen, unser Tagesziel anzupassen und im kleinen indigenen Bergdorf Huanca zu übernachten. Wir fahren nie, wenn es dunkel wird.
Und wie es der Zufall will, lernen wir hier in diesem Bergdorf einige interessante Menschen mit einer noch interessanteren Geschichte, welche uns nicht mehr loslässt, kennen.

Damit die wenigen (aktuell 64) jungen Leute welche in diesem District leben überhaupt und eine möglichst gute Ausbildung, Weiterbildung- und Berufsmöglichkeit erhalten können, haben sich einige Menschen zusammengeschlossen und bieten aus freiem Willen verschiedene Kurse an.
So z.B. 4 Nonnen, der Weber- und Strickmeister, die Coiffeuse, die Schneiderin, der IT-Spezialist. Alle sind extrem stolz und zeigen uns ihre Künste wie z.B. die selbst entworfenen und gezeichneten Webemuster, die künstlich bemalten Nägeln, die geschneiderten Schuluniformen und Zeremonienkleider für die Kirche etc.
Uns hat ein älterer Herr, welcher gerade an einem Word-Kurs sitzt und uns seine 2-Zeigefinger-Schreibkünste zeigen wollte, am meisten imponiert. 🙂 Zudem haben diese fleissigen Freiwilligen einen «Comedor» für ältere Leute organisiert, welcher 1x im Tag ein Menü für einen Beitrag von 2 Soles (CHF -.60) anbietet.

Im Gespräch erzählt uns die «Hermana», dass alle Näh- und Webemaschinen durch den Rotary-Club gesponsort wurden. Die, für unsere Verhältnissen uralten Computer, waren ein Geschenk einer IT-Firma.
Es fehlt jedoch vor allem an Stoff, Wolle und Garn für die Weberei und Schneiderei. Kurt und ich spendieren von Herzen einen 3-stelligen Betrag für das Essen für die älteren Leute und verabschieden uns.
Doch der Wille, die Schöpferkraft und das Ausbildungsziel dieses Dorfes hat es uns angetan und lässt uns nicht mehr los. Deshalb haben wir entschieden, dass wir alle Strapazen wieder auf uns nehmen und dorthin zurückkehren werden um mit den jeweiligen Verantwortlichen nach Puno zu fahren um Stoff, Garn und Wolle mit Spende-Geldern zu finanzieren. Wir werden darüber berichten. Wer sich speziell an dieses Projekt beteiligen will, bitte Überweisung mit «Projekt Huanca» benennen. Lieben Dank.

An dieser Stelle möchten wir erwähnen, dass die Projekte normalerweise in unseren Reise-Berichte nicht genannt werden (dafür haben wir eine eigene Rubrik «Projekte»). Doch die nach unseren letzten Projekt-Bericht (luz-de-esperanza/) geflossenen Spende-Gelder veranlassen uns ein herzliches

für das Vertrauen welches ihr uns entgegen bringt auszusprechen. Wir sind zutiefst berührt und garantieren wiederum, dass jeder gespendete Rappen 1:1 eingesetzt wird.

Am nächsten Tag fahren wir über mehrere Schluchten und gefühlte 100’000 Kurven «mal ufe mal abe» (jeweils über 1’000 Höhenmeter!!) von Huanca weiter. 154 Kilometer bis zur Abzweigung zur Hauptstrasse AR-109 (das wäre die «richtige» Strasse gewesen) – dafür benötigen wir gute 8 Stunden, werden aber mit einer wunderschönen Landschaft, vielen Tieren wie Guanacos, Viscachas (Hasenmäuse) und dem in diesem Moment eruptierenden und rauchenden Vulcan Sabancaya mehr als reichlich belohnt.

Als Krönung werden wir bei der Ernte von Copaos, eine Kaktusfrucht der Familie Eulychinia acida, welche als Superfood (hochwertig entzündungshemmend und überreichlich Vitamin C) aktuell gerade Südamerika erobert, übermässig gestochen. Autsch…… Wir haben für die nächsten Tage nun wirklich viele Vitamine – UND DORNEN – geerntet……☹😊

Unser Ziel, die Teilnahme am Bau der mittlerweile berühmten (UNESCO Weltkulturerbe) Inka-Brücke Q’eswachaka, erreichen wir über den Ort Chivay. Dies ist ein verträumtes Städtchen mit wunderschönen, farbigen Märkten, wo wir auch einen einfacheren aber längeren Trek unternehmen. Dazu lassen wir uns in das Dörfchen Canocota fahren, wo wir das kleine Kirchlein bestaunen, welches mittels Holzgerüsten vor dem Zusammenbruch geschützt wird. Es wurde – gleich wie in Chivay – durch das letzte Erdbeben erheblich geschwächt. Wir wandern durch den Colca-Canyon zurück nach Chivay. Nebst der wunderschönen Natur welche uns auf dem Camino begleitet, erfreut uns am meisten die Tatsache, dass der Rücken von Kurt beinahe schmerzlos mitmacht. Und wir erleben etwas, was wir nie für möglich gehalten hätten – im Fluss !!!!! sehen wir einen Flamingo………. siehe Fotos.

Wir sind mehrere Tage vor der eigentlichen Arbeit an der Brücke vor Ort und lernen so die Einheimischen kennen, welche ihre Kordeln an der Strasse herstellen. Die steilen Treppenwege zur Brücke runter werden sauber geputzt, die Pfähle geschliffen und neu gestrichen. Ich Kurt erlebe ein unglaubliches Privileg: als einziger Nichtarbeiter darf ich die längst gesperrte alte Brücke betreten und Fotos machen. WOW.
Die Menschen hier sind unglaublich freundlich und wollen immer die Hände schütteln und es werden Löcher in den Bauch gefragt. Ich wandere auf die andere Talseite rüber, um auch dort die Arbeiten anzuschauen. Unerwartet reagiert eine Gruppe von Frauen sehr unfreundlich auf mein Erscheinen. Eine brüllt mich auf Quechua an, eine andere will mir Baumaterial anschmeissen, eine andere Steine – – – und das tut sie auch tatsächlich – und trifft. Das war sehr speziell für mich, denn 99% der Leute sind äusserst herzlich und sehr positiv gegenüber den Touristen.

Aber zurück zur Brücke: wir kennen Brücken aus Stahl, aus Holz, aus Beton ….. aber aus Gras? Wie soll denn das gehen fragten wir uns?
Die Inkas… immer wieder staunen wir, wie weit die Völker hier schon damals bereits entwickelt waren.
Vor über 500 Jahren waren die Hängebrücken aus Gras ein wichtiger Bestandteil des sogenannten «Qhapaq Ñan», dem Verkehrsnetz der Inka. Dieses Geflecht aus Strassen, zu dem auch der sehr bekannte und touristische «Camino Inca» (Inca-Trail) gehört, vereinte das Inka-Reich von Süd nach Nord, über 6000 Kilometer.

Als Material wird das goldene Qoya Ichu-Gras, das nur in höheren Andenlagen wächst verwendet. Anfang Juni ist das Gras bereit für den Schnitt. Um das Gras etwas geschmeidiger zu machen, wird es mit einem runden Stein mehrere Minuten „weich geklopft“. Aus den Halmen werden zuerst 38m lange Schnüre mit einer speziellen Technik von Hand gedreht. Jede Familie aus den 4 Gemeinschaften (Hunchiri, Chaupibanda, Choccayhua und Ccollana) hat die Auflage, mindestens eine Schnur zu drehen. Es wird Buch geführt…….

Danach werden auf der Strasse 38 Schnüre zu einer grossen Kordel gedreht. Bis vor kurzem wurden 32 Schnüre verwendet – durch die Klimaänderung mussten die Seile verstärkt werden (mehr Hitze, mehr Regen). 3 grosse Kordeln werden zu Zöpfe geflochten. Eine sehr mühsame Arbeit. Für den Brückenboden werden 4 solche Zöpfe mit 3 Kordeln à 114 Schnüre verwendet, für den «Handlauf» werden 2 grosse Kordeln à 76 Schnüre gebraucht. Für die Seitensicherung werden eine Unzahl solcher Schnüre verwendet (sie verbinden die Bodenkordeln mit den Handlaukordeln), für den Boden werden daumendicke Holzstäbe verwendet. Die Bodensicherung erfolgt über ca 5cm dicke Holzstäbe, die mittels Leder fixiert werden. Das Leder wird von jungen schwarzen Stieren verwendet, weil dieses Leder scheinbar am stärksten ist.

Doch leider durfte ich Joly den ganzen Ablauf nicht mit ansehen. Es ist den Frauen nicht erlaubt sich der Brückenbaustelle zu nähern, das würde laut Inkaglauben die Götter verärgern und Unheil bringen. Erst wenn die Brücke über den Fluss gespannt ist und durch Opfergaben und Weihrauch zeremoniell eingeweiht ist, dürfen die Frauen die Brücke überqueren ☹☹
Obwohl ich die Rituale und Bräuche anderer Länder respektiere, finde ich das Vorgehen etwas eigenartig. Denn heute dient der Bau der Brücke einzig und alleine dem Tourismus und der ist auch «weiblich». Zudem leben wir im 21ten Jahrhundert….
Verärgert und enttäuscht ziehe ich mich zurück und als ein Journalist mich interviewen wollte – da kam er mir gerade recht 😊 Danach ging es mir etwas besser.

An dieser Stelle muss ich liebe Leserinnen und Leser, das Erklären wie die Brücke gebaut wurde an Kurt weitergeben.

Die oben beschriebenen Zöpfe und Kordeln werden mühsam den steilen Weg hinuntergetragen. Anfänglich ein dann ein zweiter Schamane zünden Kuhmist für das Ritualfeuer an und sie führen die wohl nötigen Rituale durch – ausser den Journalisten kümmert sich kein Mensch um sie und ihre Rituale😊.
Eine Unzahl von Männern geht nun ans Abräumen der alten Brücke. Diese wird mittels Handsicheln Stücklein für Stücklein zerschnitten und zwar jeweils am so genannten Brückenkopf. Das ist die Stelle, wo die Seilenden mit den Steinen des Brückenkopfes umwickelt werden und so einen festen Halt bilden (siehe Bilder, die erklären es besser). Die Männer zerstückeln nicht nur die alte Halterung, sondern kratzen mit den Händen den Flugsand und Seilrückstände weg und werfen alles in die Schlucht.

Nun werden abwechslungsweise jeweils von der einen und der anderen Brückenseite die neuen Seile Stück für Stück rüber gezogen – währenddem am Abbruch weiter gewerkelt wird. 4 neue Seile sind schon gezogen……
Ich erwarte, dass man der alten Brücke «einen würdigen Abgang beschert». Weit gefehlt. Plötzlich, aus dem Nichts und völlig unerwartet reisst die mittlerweile schon recht zerstückelte alte Brücke – sie fliegt von der anderen Seite runter in die Schlucht. Völlig emotionslos, ohne auch nur eine einzige Reaktion arbeiten alle weiter. KEIN Ritual, ich bin etwas enttäuscht …..

Es ist Mittagszeit. Die Männer werden vom verantwortlichen Ingenieur zum Essen entlassen. «Um 13.40h sind alle wieder da zum Arbeiten» wird mehrfach und laut mitgeteilt. Klar bin ich um diese Zeit wieder an meinem Aussichtspunkt – – und warte, warte, warte. Einiges nach 14.30h wird sackweise Coca verteilt, Bier, Caña und Chicha (Maisbier) – es wird viel geredet, getrunken, Coca gekaut – – aber NICHT gearbeitet. Irgendwann geht es weiter….. Obwohl weder Caña noch Chicha viel Alkohol haben, zeigen sie bei einigen doch schon „vertieft Wirkung“ 😊.

Nun werden die restlichen Seile rübergezogen. Ich staune und muss lächeln, denn auf der gegenüberliegenden Seite arbeiten 12 Männer, auf der Hauptseite über 70…. Beide Seiten machen den selben Job – Seile rüberziehen und verankern, dieselben Gewichte. 12 zu 70!?!? Das verstehe einer – darum frage ich nach. Mir wird ernsthaft erklärt, dass die 70 AM SCHLUSS für das definitive Spannen aller Seile benötigt würden………. Hey, 12 Mann ziehen die schweren Seile auf ihre Seite, während von den 70 auf der anderen Seite etwa 50 rumsitzen – sie werden ja erst am Schluss wirklich gebraucht 😊, die auf der anderen Seite kippen vor Anstrengung schier um…. Peruanische Logik.

Schlussendlich werden die Seile gespannt, verankert – was durch den sehr engen Platz für die Seile eine Höllenarbeit ist. Alles geht cm-weise und sehr langsam. Und es klappt – jedes Jahr. Die Brücke ist gespannt, der Boden verlegt …………. Es ist Zeit für das Fest.

Dieses findet am Sonntag statt. Alle, wirklich alle putzen sich raus und kommen hierher. Du musst wissen, dass das ganze an einer engen Strasse stattfindet, es somit sehr wenig Platz hat für das Parkieren von Autos, Bussen und dergleichen. Der Abhang ist weit über 100m, fast senkrecht – vor nicht langer Zeit sind die letzten drei Männer hier mit dem Auto den Abhang runter, die Gräber zeigen den 14.09.2018…..
Aber es kommen Tausende……. kannst du dir das Chaos vorstellen? Es ist zwar viel Polizei hier, doch es gibt keinen Plan, wie die Autos und Motorräder parkiert werden sollen. Herrlich dieses Durcheinander ………. Es gibt viele Tanzaufführungen, diese werden sogar bewertet – es ist ein riesiges Volksfest mit viel Essen und Trinken.

Wie immer an solchen Orten kommen die Leute zu uns, wollen uns die Hände schütteln, wissen woher wir kommen, wohin wir gehen und ob wir das Fest lieben. Massenhaft wird uns ein gemeinsames Trinken angeboten – wenn wir nur einen Bruchteil davon annehmen würden – – wären wir noch heute aufs Heftigste besoffen…… 😊.

Hier eine Reportage des deutschen Senders „Phoenix“, der den Bau der Brücke super dokumentiert.
Kurzfilm Bau Inka-Gras-Brücke

Wir fahren weiter, wir möchten zu den „Three Rainbow Mountains“. Das sind die Konkurrenten des berühmten Winikunka-Mountain (mehr darüber im Bericht von Fränzi und Michaela 🙂 🙂 🙂 im August/September). Auf einer sehr steilen und schmalen „Strasse“ fahren wir hoch – wir sind etwas spät dran, es ist schon nach 15h – es wird kühl. Wir wandern gut eine halbe Stunde den Berg hoch und werden schier erschlagen von der Farbenpracht, die wir zu sehen bekommen. Es sind nicht nur drei dieser farbigen Berge zu sehen, sondern wesentlich mehr – wenn auch einige weiter entfernt. Wunderbar diese Farben, diese Ruhe – wir sind die einzigen hier oben auf 5’000 m.ü.M. Es ist relativ stark bewölkt und zusammen mit dem Abendlicht sind die Farben immer wieder anders – wir geniessen diesen herrlichen Abend hier oben.

Da wir sehr spät dran sind, fahren wir zum Übernachten nicht weit, parkieren weiter unten in einem „Dorf“ („schlafen“ auf 5’000 willst du nicht wirklich) und fahren am Morgen in das Dorf Checacupe. Dort gehen wir in die Kirche aus dem frühen 17.Jahrhundert – unbeschreiblich was wir hier sehen. Riesige Gemälde, alles mächtig, vergoldet, auch der Altar – so etwas hier, fast am Ende der Welt?? Unglaublich. Die Kirche wurde auf einer Inka-Ruine aufgebaut, deren Originalsteine heute noch an einigen Stellen sichtbar sind. Dann spazieren wir runter zu einer weiteren Inka-Brücke. Diese ist aus Holz und Leder – super schön und interessant, mit welcher Technik sie gebaut wurde. Der Bau war zwischen 1400-1448. Daneben- wurde etwas später (1759) eine weitere Brücke aus Stein gebaut, sehr viel später eine aus Stahl und Beton (19. Jahrhundert, als Eisenbahnbrücke gebaut). Es sind also drei Brücken direkt nebeneinander zu bestaunen. Auch in diesem Dorf findet exakt jetzt eine Tanzaufführung der Schulkinder statt – einfach herrlich, wie die Kleinen eine echt lange und anspruchsvolle Choreo durchtanzen, wunderbar der Enthusiasmus dieser Kinder.

Unser nächstes Ziel ist Espinar. Dort bleiben wir eine ganze Woche, weil wir Pilar und Juliana kennen lernen (siehe Bericht Projekt „Juliana“. Auch wollen wir dem Volksfest in K’anamarka beiwohnen. Das war eine Prä- und Inkastadt mit vielen rechteckigen und runden Häusern und auch Grabstätten. Der Ort ist nur bei Einheimischen so richtig bekannt – ausländische Touristen sehen wir den ganzen Tag keinen einzigen. Auch hier wird in verschiedenen Kategorien getanzt, es wird auch hier alles bewertet. Viele der TänzerInnen kommen von weit her, sind die Höhe nicht gewohnt, geben alles, wirklich alles. Hunderte von Malen wird der Kopf runter bis auf Kniehöhe gebeugt, alles im Höllentempo. Kein Wunder, dass praktisch bei jeder Gruppe am Schluss des immerhin 7 Minuten dauernden Tanzes 1-3 Leute umkippen, bewusstlos werden und medizinisch betreut werden müssen. Herrlich wie auch an diesem Fest die Menschen auf uns zukommen, immer die Hände schütteln wollen, fragen, fragen und sogar Fotos machen wollen mit uns (Mann mit weissem Haar……).

Nun ist es aber genug mit der Kälte – die Nächte haben nun Temperaturen in den ersten Minusgraden – auch waren wir jetzt immer in Höhen von 3’800 – 5’000 m.ü.M, es ist Zeit für etwas Milde, ein Schelm, der vermutet, dass wir nur des Essens wegen nach Arequipa wollen 😊

Nun sind wir wieder für ein paar Tage in Arequipa, schreiben den Bericht fertig, schlemmern noch was wir können und dann nichts wie weg… in Peru dürfen wir pro Jahr nur 90 Tage bleiben – 30 davon wollen wir für den August für die gemeinsame Reise mit unseren Freundinnen Fränzi und Michaela aufsparen.

Hasta la proxima