…bleibt man oft hängen
Nachdem wir uns von den Antarktis-Strapazen einigermassen erholt haben, sehnen wir uns nach Wärme. Doch um dorthin zu gelangen wo die Temperaturen etwas angenehmer sind, müssen wir «einige Kilometer» (4-stellige Zahl) fahren. ☹
Und so verabschieden wir uns von Ushuaia und unseren Freunden Lara und Alejandro und fahren zurück nach Punta Arenas.
Unser Ziel ist der uns fehlende Teil der Carretera Austral, das heisst von Villa O’Higgins bis Cochrane, zu fahren.
Da wir jedoch nicht die eher langweilige, bereits gefahrene „Nada-Strecke“ durch Argentinien nochmals fahren wollen, entscheiden wir uns, mit der Fähre von Punta Arenas nach Puerto Yungay zu fahren. Die Fahrt dauert 3 Tage, das Wetter ist so wie man es in den eisigen Fjorden von Süd Chile erwarten kann – rau und mit Temperaturen im einstelligen Bereich.
Die Fahrt führt uns durch schmale Passagen, vorbei an Gletschern, steilen Felswänden und mächtigen schneebedeckten Vulkane. Aber auch sanfte Hügel gleiten an uns vorbei, also Vielfalt pur. Seelöwen und der hier heimische chilenische Delfin begleiten uns. Auch der Regenwald – hier der „kalte“ Regenwald genannt – reicht bis an die chilenischen Fjorde heran. Er dehnt sich üppig und weit über Patagonien aus – ein sehr wichtiges Oeko-System und Klima-Regulator.
Unser erster Halt nach ca. 30 Stunden ist in Puerto Eden. Der Weiler zählt ca. 300 Einwohner und ist als Heimatort der letzten Kawesqar bekannt. Das Volk ist eine der vier ethnischen Gruppen, die bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Westpatagonien siedelten. Ebenso wie die anderen Ureinwohner Feuerlands wurden sie dort im Zuge der Invasion und Besiedelung durch eurasische Siedler beinahe vollständig ausgerottet. 22 Menschen dieser Ethnie soll es noch geben!
Für uns war es sehr spannend, das Treiben am kleinen Hafen zu beobachten. Kaum hatte das Schiff angelegt kamen schon aus allen Richtungen kleine Ruder- und Motorboote, die ihre Ware abholten. Alles was laufen konnte war auf dem Schiff (Menschen, Hunde, Katzen, Hühner…) und so schnell wie sie kamen, so schnell waren alle auch wieder fort.
Nach mehr als 5 Stunden Verspätung (Gegenwinde sind hier halt etwas heftiger) landen wir endlich in Puerto Yungay. Hier steigen wir auf eine andere Fähre um, welche uns nach Rio Bravo bringt, wo die Ruta 7 nach Villa O’Higgins weiterführt. Die Carretera Austral ist eine ca. 1300 km lange Strasse, die von Puerto Montt im Norden nach Villa O‘Higgins im Süden führt. Sie wurde vom damaligen Präsidenten Augusto Pinochet in Auftrag gegeben und teilweise sollen bis zu 10’000 Soldaten daran gearbeitet haben. Es war ein äusserst schwieriges Unterfangen wegen den Bergen, dem kalten Regenwald, den Flüssen….. so musste jedes Stück mühevoll der Natur abgerungen werden. Um den schwierigsten Passagen ausweichen zu können, verkehren ein paar Fähren durch die Fjorde des Pazifiks. Der Unterhalt dieser (einzigen) Strasse ist eine enorme Mammutarbeit und ein nie endendes Werk.
Und wieder einmal sind wir von der Natur begeistert. Dicht bewaldete, regenwaldähnliche Landschaften, unzählige Wasserfälle, ebensoviele Baustellen und ein (für Sprinti) aussergewöhnlich schwieriger Ripio beanspruchen unsere volle Aufmerksamkeit. Für eine Strecke von knapp 110 Kilometer benötigen wir deshalb lockere 4 Stunden.
In Villa O’Higgins, einem kleinen, ruhigen Ort mit ca. 400 Einwohner bleiben wir einige Tage. Wir haben Glück, das Wetter ist ausnahmsweise schön und wir haben ein Restaurant mit verschiedenen Leckereien entdeckt. Zudem will Kurt unbedingt die hier frei herumlaufenden Hühner füttern – das erinnert ihn an seine Jugend, als er bei seinen Grosseltern auf dem Hof die Hühner mit Brot (getunkt in Grossvaters Schnaps!!) fütterte um zuzusehen, wie sie danach herumtorkelten…. Lausbub, heute noch!!!
Wir machen noch einen Abstecher nach Cochrane. Dort waren wir schon vor 10 Jahren und wir haben tolle Erinnerungen. Ob es den Fundo San Lorenzo noch gibt? Wir fahren die gut 50km und nun kommt die absolute Bewährungsprobe für Sprinti. Die letzten 9km sind reine und äusserst ruppige Naturstrassen, teilweise ganz neu angelegt – und dadurch recht weich und unbefestigt. Flüsse müssen überquert werden. Wir werden aufs heftigste hin und her geschüttelt, der 4×4 und die Untersetzung müssen eingeschaltet werden und sind absolut nötig – langsamer als Schrittempo ist angesagt.
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Mehr InformationenWir schaffen den Weg und bleiben auf dem Fundo ein paar Tage. Wanderungen in der näheren Umgebung zeigen uns, dass sich in der Natur gegenüber damals kaum etwas geändert hat (unsere lieben Freunde Riccarda und Frank wären begeistert). Die Begegnung mit Luis und seiner Familie war einzigartig und wir vereinbaren beim gemeinsamen Nachtessen, dass wir (Luis der Besitzer und ich) uns in 5 Jahren wieder treffen um gemeinsam unseren Geburtstag zu feiern – – schau’mer mal 😊 zuzutrauen ist es ja.
Auf dem gleichen Weg fahren wir auf der Carretera zurück Richtung Norden und kommen nochmals an Villa Santa Lucia vorbei, wo im Dezember 2017 kurz nachdem wir vorbeifuhren, ein riesieger Erdrutsch beinahe das gesamte Dorf zerstörte. Wir haben im Bericht https://suitaontour.com/07-ch-traumstrassen-ihre-tuecken-und-anderes/ darüber kurz berichtet.
Niemals hätten wir uns das enorme Ausmass der Katastrophe so vorstellen können. Wir erfahren, dass damals 21 Menschen den Tod fanden, eine Person wird immer noch vermisst (eine Familie verlor 9 Mitglieder!!). Fast das ganze Dorf ist mit meterhohem Schlamm, Geröll und Bäumen zugedeckt. Seit fast 5 Monaten fahren täglich Unmengen von grossen Lastern den Schutt weg…………es wird noch viele Monate dauern. Damit die Laster einigermassen ungestört fahren können, müssen wir an der Baustelle über 2h warten bis wir weiterfahren können.
Durch den vielen Regen im Dezember 2017 hatte sich eine meterhohe Erdschicht gelöst und das auf einem Gebiet von rund 10km Länge und 500m bis 2km Breite. Diese unglaubliche Masse zwängte sich teilweise durch eine etwa 70m breite Schlucht, die wie eine Düse wirkte. Nach der Schlucht war das Dorf……… Schreckliche Bilder die wir nicht so schnell vergessen werden.
Die Bilder sind sehr schlecht, es hat auch diesmal wieder heftig geregnet und wir konnten nicht anhalten. Wir wollten so rasch wie möglich hier weg, denn kurz zuvor ging nochmals eine Schlammlawine die Schlucht runter. Die Strasse wurde inzwischen als Notstrasse über den Schutt gebaut und macht alles andere als einen stabilen Eindruck.
Wir passieren die Grenze nach Argentinien über den Paso Cardenal Samoré (nördlich von Villa la Angostura), unser Ziel….. wieder mal El Bolson 😊. Wir vermissen das Bier und die Schoko… und nachdem unsere Reserven wieder aufgefüllt sind, geht’s weiter über die spektakuläre Ruta 25 von Esquel nach Puerto Madryn. Dort möchten wir die Orcas auf der Halbinsel Valdes beim Jagen beobachten.
Es ist Herbst und die Landschaft strahlt in allen Farben – ein atemberaubender Anblick! Auf dem Weg besuchen wir unsere neu gewonnenen Freunde Federico, German (weisst du noch: „Dort wo das weisse Pferd steht, links abbiegen“ => https://suitaontour.com/06-ch-die-fischer-von-gaiman-und-das-weisse-pferd/) und Jorge und das freudige Wiedersehen wird reichlich mit viel Parilla gefeiert.
Die Jagdtechnik der Orcafamilie, welche zwischen Februar und Mitte Mai auf der Halbinsel Valdes beobachtet werden kann, ist absolut einzigartig. Nirgendwo sonst auf der Welt jagen Orcas auf diese Weise. Bewusst stranden sie, um direkt am Strand die jungen Seelöwen zu jagen. Von der Brandungswelle getarnt, schiessen die Orcas blitzschnell auf den Strand, wo sich die unerfahrenen Jungen der Seelöwen herumtollen. Nachdem sie ihre Beute gefasst haben (kein schöner Anblick), warten sie einfach auf die nächste Welle, von der sie sich zurück ins Meer ziehen lassen. https://www.spiegel.de/video/argentinien-orcas-jagen-seeloewen-am-strand-video-99017061.html
Wir konnten die Familie mit ca. 6-8 Orcas den ganzen Tag beobachten wie sie auch andere Jagdttechniken anwendeten. Wir können sehen, wie eine junge Orcadame 2-3m vom Strand weg auf und ab schwimmt – wie ein Patroulliengang. Die anderen sind ca. 300m weiter draussen im Meer und spielen zusammen. Plötzlich kann die Dame einen jungen Seelöwen mit der speziellen Technik erwischen und schwimmt ein paar Meter Richtung offenes Meer. Die anderen schwimmen zu ihr, umkreisen sie und machen ein Riesenfest. Es sieht aus, als ob sie gratulieren würden – absolut einmalig für uns. Dann wird mit dem toten Seelöwen gespielt, es wird mehrfach in die Luft geworfen bis es schlussendlich gefressen wird.
Nun möchte Kurt noch ein weiteres Highlight erleben – er möchte zu den Museen der Dinosaurier in der erweiterten Gegend von Neuquen. Also fahren wir die gut 800km……….. Wir besuchen das Valle de la Luna, eine wunderschöne Senke mit schönen Farben in unterschiedlichem Gestein. Überwältigt sind wir von den vielen Dinos, die in den verschiedenen Museen ausgestellt sind. Sie sind teilweise riesig, Kurt verschwindet daneben als kleines Nichts. Wir sind erstaunt, dass wir praktisch nirgends Werbung für diese einmaligen Funde sehen. Immerhin fand man hier die grössten je auf der Welt gefundenen Dinos……….
Auf dem Weg Richtung Buenos Aires – unser nächstes geplantes Ziel – kommen wir an einer Plantage vorbei, auf welcher Oliven angepflanzt werden. Neugierig wie wir sind, machen wir einen Besuch im Laden. Der Verkäufer ist begeistert von unserer Reise und fragt uns, ob wir die Produktion des Olivenöls sehen möchten – was für eine Frage?
Wir werden dem Besitzer vorgestellt und dieser erklärt und zeigt uns den ganzen Prozess vor Ort. Er produziert, je nach Ergiebigkeit, rund 120‘000 Liter pro Jahr und verkauft alles selber im kleinen Laden. Er ist – zu Recht – so richtig stolz darauf, dass er die Früchte nur ein einziges Mal presst und nicht mehrfach und mit anderen Ölbeimischungen streckt (in Argentinien gibt es keine Kontrolle über die Qualität des „Extra vergine“!!). Wir überzeugen uns davon, probieren frisch gepresstes, unfiltriertes Olivenöl und sind begeistert. Klar, wird das ein teurer Abschied und wir haben noch weniger Platz für uns im Sprinti 😊.
Uns wird auch noch gesagt, dass in dieser Gegend über die Hälfte der Erdöl- und Erdgasvorkommen von Argentinien lagern. Nun können wir auch die unzähligen Tanklaster auf der Strasse (jeweils 37‘000 Liter), die Raffinerien und Bohrinseln zuordnen. Auf dem Weg Richtung Wärme fahren wir bei Viedma noch an die Küste nach El Condor. Es ist ein (noch) fast unbekannter Bedeort und Heimat der „Loros pataganicos“, einem Felsensittich (Papagei), die hier als weltgrösste Kolonie leben. Diese Art gibt es nur in Chile, Argentinien und in Uruguay. Wir sehen „ein paar“ von über 35’000 Papageien und staunen über den Höllenlärm, den die kleinen Viecher verursachen.
So, nun weiter gegen Norden, endlich Richtung Wärme ……… das wollen wir seit Wochen, bleiben aber immer wieder „hängen“ – – genau das ist es, was uns so gefällt. Dir hoffentlich auch.
Hasta la proxima
Reisezeit: April/Mai 2018