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21 – BR – Wenn Miss Corona und Amtsschimmel am Reisen hindern ……

…… und was bedeutet 36….32?

Eine unglaubliche Hitze begleitet uns auf der gesamten Strecke von Salta im nördlichen Argentinien nach Asuncion in Paraguay. Du gehst nach 22h ins Bett bei 36 Grad und stehst um 9 Uhr mit 32 Grad auf – – geschlafen hast du gefühlt keine Minute, bist pflotschnass, völlig durchgeschwitzt, die Matratze, das Leinentuch, das Kissen – alles feucht, sehr feucht. Du gehst bei der Tankstelle in eine Dusche für Trucker, in eine Dusche die du ansonsten nie im Leben betreten würdest – doch es ist irgendwie wohltuend………. Tagelang geht das so.

Dann endlich Asuncion. Wir nehmen ungeplant ein Hotel – denn dieses Leben wollen wir uns nicht über längere Zeit antun. Wunderbar, Platz, grosse Dusche – die sogar einigermassen funktioniert. Die Umgebung ist alles andere als einladend, viele Obdachlose, viel Dreck, schmutzige und wenig einladende Strassen und Plätze…… nach ein paar Tagen «fliehen» wir in ein anderes Viertel.
Sauber, gepflegt, jedoch eher laut. Um 4h in der Früh hört man den ersten Laubbläser……… doch wir geniessen die Sauberkeit, die „einigermassen Ruhe“ und vor allem: die Einkaufszentren um uns herum mit ihren Cafés und Restaurants. Wir gehen mehrfach dort essen – wir gehen sogar Waguy- Fleisch essen (Kobe-Fleisch) und wir werden in den Tagen dies hier mehr als 1x «uns antun» 😊.
Wahnsinn – in der Schweiz zahlt man je nach Anbieter pro 100 gr bis zu CHF 66.- hier für 300 gr gerade mal CHF 33 – nota bene im Restaurant – und das für 2 Personen und mit vielen Zutaten. Wir werden es missen, das allerbeste Fleisch, das wir je im Leben gegessen haben.

Trotz Wärme schüttet es ab und zu – und zwar richtig. Innert kürzester Zeit sind die Strassen zugedeckt mit Wasser, auch die Gärten – doch meist dauert es nur 3-4 Stunden, dann ist wieder gut. Eindrücklich ist es allemal.

Wir wollen weiter – erst mal unsere lieben Freunde in Altos besuchen, Marion und René. Wir freuen uns sehr, dass es ihnen recht gut geht und alles einigermassen so läuft, wie sie es möchten. Und noch ein Highlight: Claudia und Uwe sind mit ihrem lässigen Hund auch dort. Wir «kennen» sie nur über Mailverkehr, schon ein paar Jahre. Wir freuen uns riesig, mit diesen sympathischen Menschen eine Zeit lang gemeinsam verbringen zu können.

Und es geht weiter, nach Brasilien. Doch die Fahrt dorthin ist alles andere als ein Fingerschleck. Wiederum begleiten uns unglaubliche Hitze, Feuchtigkeit und heftige Regenfälle – wieder 36-32, es ist echt unangenehm. Irgendwann kommen wir in eine leicht hügelige Gegend und somit etwas höher und die Temperaturen werden angenehmer. Denkt man………
Es ziehen heftige Gewitter auf … schau’mer mal. Richtung Sao Paulo beginnt es so was zu schiffen, wie du dir nie im Leben vorstellen kannst. So einen Starkregen haben wir noch nie erlebt. Fast Stillstand auf der Strasse, auch auf der Autobahn, Scheibenwischer, die nicht mehr nachkommen mit Wischen……… und das bei heftigem Lastwagenverkehr………

Wir biegen ab auf einen Rastplatz… der auch schon überfüllt ist, doch wir finden einen Platz zum Ausruhen. Es geht irgendwann weiter, der Regen ist «nur noch normal». Wenige Minuten geht die gleiche Hölle wieder los…… Starkregen vom Verrücktesten. Dennoch, wir fahren weiter, durchqueren Sao Paulo (wo niemand freiwillig bleiben will) und es geht weiter bis Santos, an die Küste. Dort lässt der Regen etwas nach, wir sind froh und irgendwie futsch. Wir finden einen Platz direkt am Strand, ruhen uns aus und gehen dann spazieren. KEIN Restaurant hat geöffnet… Zeit, endlich wieder die wunderbare Küche von Joly zu geniessen.

Am nächsten Tag besuchen wir die Altstadt, das Pelé-Museum und geniessen das Urtümliche hier. Dann fahren wir auf den höchsten Hügel von Santos, denn Regen ist angesagt. Oben auf dem Hügel hast du weniger Überschwemmungsprobleme als unten (in der Presse findest du viele Bilder der Überschwemmungen von Sao Paulo, Santos und auch in Rio – viele Gebiet waren meterhoch unter Wasser, es gab über 45 Tote….).

Und nun unser Watergate – buchstäblich. Unser Dachfenster über dem Bett ist undicht (das Fenster, welches damals in der Atacama davongeflogen ist…). Alles ist nass. Wir parkieren bei einem abgesperrten Parkplatz unter einem Baum und spannen einen Schirm über unser Dachfenster, befestigen ihn mit Panzerband………… so möchte man nicht wirklich schlafen, denn es regnet «leicht», die ganze Nacht……….

Am Morgen sind wir unausgeschlafen – – irgendwie logisch – und wir suchen Hilfe. Wer kann ein Fenster abdichten??? Wir sind am Strand, da sind Boote – die müssen ja auch wasserdicht sein, also gibt es sicher jemanden, der bei unserem Problem helfen kann. Wir gehen zum Bootsclub, sie wissen nicht Bescheid, doch raten uns, dort oder dort oder dorthin zu gehen. Tun wir……. Und irgendwann sind wir bei einer Autogarage, welche uns helfen kann.
Wir schildern ein weiteres Mal unser Anliegen und sofort, ohne eine einzige Sekunde des Nachdenkens kommt ein Mann und nimmt sich der Sache an. Gemeinsam holen wir Werkzeug, eine Leiter, schrauben, mechen und demontieren das Fenster, putzen alles …… und vieles mehr.
Dichtmasse ist nicht vorhanden – sie muss irgendwo beschafft werden. Also geht jemand in die Stadt und sucht…… und findet.
Die Masse wird aufgetragen, das Fenster «südamerikanisch fein säuberlich» montiert………… und dann beginnt der Albtraum eines jeden Schweizers. Statt eine saubere Fuge zu machen wird so richtig geschmiert, mit einem verkrusteten, dicken und verklebten Pinsel, die Dichtmasse wird zwar aufgetragen, doch so was von verschmiert. Weisst du wie es aussieht, wenn eine pechschwarze Masse auf hellgrauem Untergrund so richtig verschmiert wird?? Das will eigentlich niemand, doch besser als reinregnen lassen…….

Wir fahren weiter und geniessen die abwechslungsreiche Gegend mit den kurvigen Strassen, welche sich durch den Regenwald schlängeln, viele typische Dörfer, viele Menschen an den Strassen und eine wunderschöne Vegetation. Wir geniessen die Fahrt, die Übernachtungen in den typischen Dörfern mit den äusserst netten und neugierigen Menschen und diese Tage bis Rio.

In Rio haben wir ein Hotel gemietet, denn wir wollen die Stadt und den Carneval geniessen und das ca. einen Monat lang. Und es wird wieder mal schwierig – unser lieber Freund Sprinti mit seinen Massen kann einfach nirgends, bei keiner noch so tollen Parkmöglichkeit bleiben, nicht mal einfahren – er ist schlicht zu hoch. Suchen, suchen, suchen. Irgendwann finden wir einen Platz und mit unglaublich viel Engagement der Leute, die uns einen Platz für den Tag geben – aber die Forderung haben, Sprinti in der Nacht vor ihr Büro parkieren zu müssen – können wir einen Deal machen. Wir können ins Hotel, sie holen am Abend Sprinti weg vom Parkplatz und parkieren aus Sicherheitsgründen vor dem Büro und stellen ihn am Morgen wieder zurück…….. Bei so vielen Bauhindernissen auf dem Parkplatz möchte man Sprinti nicht von fremden Menschen verschieben lassen … doch wir haben keine Wahl.

Wir besuchen das Hafengebiet mit den fantastischen Wandmalereien, dem Museum «Amanhã», das riesige Aquarium «Agua Rio» und mehr. Immer wieder staunen wir ob der Vielfalt und den für uns grossartigen Dingen, die wir sehen dürfen – auch wenn «Kunst» halt eben «Kunst» ist und bleibt – interessant ist es allemal. Riesige Freude haben wir im Botanischen Garten erlebt, absolut eindrücklich diese fantastische Pflanzenwelt, die Orchideen, Riesenpalmen, riesige Seerosenblätter (man kann problemlos ein Baby drauflegen – doch die haben gewaltige Stacheln – die Schei….dinger!!) und vieles mehr (gemäss Internet hat das weltgrösste Blatt 80 kg getragen). Allerdings erleben wir eine grosse Enttäuschung, denn wir suchen die Pflanze «Favela», welche den Hangdörfern in Rio den Namen gaben. Niemand, wirklich niemand im Botanischen Garten kannte die Pflanze …………. Und wir fanden sie auch nicht – bisher. Wer weiss….. 😊

Und dann ist Carneval in Rio……… mehrere Wochen lang. Jede erdenkliche Strasse wird irgendwann abgesperrt für irgendeinen Umzug, man findet kaum mehr einen Weg, um von A nach B zu kommen. Doch das ist halt so hier. Wir erleben viele, sehr viele dieser Strassenfasnachten – für uns eigentlich nichts anderes als wie beim Zürcher Seenachtsfest oder einem anderen Strassenfest, nichts Besonderes. Einfach viele kurze Umzüge (ohne Wagen), eine, zwei, drei Stunde lang und dann ist Schluss. Überall in der Stadt wird gefeiert, getrunken, getanzt, auch an der Copacabana, immer wieder. Viele Leute, sehr laut, farbenfroh, fröhlich.
In den U-Bahnen ist immer wieder eine kleine Hölle los, viele «Maskierte» singen, schreien, schlagen an die Wände und Decken, ein Höllenlärm.
Apropos Masken: man sieht während der ganzen Zeit kaum eine Vollmaske. Die meisten tragen irgend eine kleine Verzierung, einen Bastrock, eine farbige Brille, ein Hütchen, eine unwesentliche Schminke irgendwo ………. DAS ist Maskieren in Rio———- eigentlich nichts Interessantes.
Mindestens 70% der Männer tragen frauliche Accessoires . . . schier nicht zu glauben doch es ist so. Der Homosexualität wird offen und heftig gefrönt – auf Männerseite ein Mehrfaches als auf Frauenseite – und zwar recht heftig. Für die einen ein Paradies………

Wir haben uns Tickets beschafft für eine Samba-Parade. Wir fahren mit der U-Bahn in die Nähe und gehen den Rest zu Fuss. Höllisch – buchstäblich. Denn wir sehen alles, die vielen Zuschauer, die Leute der Sambaschulen welche sich auf diesem Weg vorbereiten und ganz schlimm: eine Unmenge, viele Dutzende von Obdachlosen unter der Brücke – – alles ist voll Schutt und es stinkt erbärmlich nach Pisse. Fast nicht zum Aushalten, doch das ist eben auch Rio, nicht nur hier, in der ganzen Stadt, überall, sehr penetrant.
Wir geniessen die vielen Stunden im Sambadrom, die vielen Paraden der Sambaschulen, sind beeindruckt von den Darbietungen und Kostümen. Es ist schlicht umwerfend, was die Leute hier hinzaubern. Eine Schule hat zwischen 2’500 und 5’000 Mitgliedern, ALLE haben eine wichtige Funktion, denn ALLES wird von einer Jury bewertet. Es gibt bei jeder Aufführung – welche zw. 65 und 75 Min dauern darf – ein Vortänzerpaar, ein Hauptsujet, wieder ein Tänzerpaar mit der Fahne der Sambaschule, Einzeltänzer (5-12), dann die einzelnen Wagen mit den Sujets, Trommeltruppen (zwischen 200 und 450 Leuten) ……. Wir sind begeistert und erstaunt – das Ganze dauert bis in den frühen Morgen. Nach ein paar Stunden haben wir aber genug, sind müde und wollen nach «Hause». Wir nehmen ein Taxi und schlafen bald friedlich ein – mit tausenden von Eindrücken, einem unvergesslichen Erlebnis.

Interessant für uns war, dass wir in der ganzen Zeit hier nicht eine einzige Aggression gesehen haben, praktisch keine heftig Betrunkenen, absolut keine Anmache, echt toll – Europa nimm dir ein Beispiel.

Ein Mythos müssen wir doch noch relativieren: Copacabana – DER Strand der Schönen und Reichen. NEIN, den gibt es nicht (mehr). Der Strand ist schön, zweifelsohne, doch davon haben wir schon viele gesehen, genau so schön. Hier tummeln sich die ganz normalen Menschen, Leute wie du und ich. Von den berühmten «Schönheiten» ist kaum je etwas zu sehen. Wenn du schon mal an einem Sandstrand in Italien oder Frankreich oder irgendwo warst, dann hast du die Copacabana gesehen 😊. Und: das Wasser ist nicht wirklich sauber…. die vielen Frachter vor der Copacabana lassen grüssen.

Was allerdings auffällt sind die in Unmengen von perfekt durchtrainierten Männerkörper. Es sind unzählige, hunderte. Wir haben noch nie so viele muskulöse Männerkörper gesehen – für viele eine Augenweide. Und es wird trainiert und verglichen und wieder trainiert, herrlich.

Klar will ich Kurt im weltberühmten Fussballstadion Maracana ein Fussballspiel sehen. Ich besorge mir Karten und besuche ein Spiel der berühmten Mannschaften von Botafogo und Fluminense. Im vollem Stadion hätten rund 78’000 Zuschauer Platz (1950 waren es 200’000!!), es sind lediglich 15’000 da. Leer, aber nicht ruhig. Die zwei kleinen Ultra-Fangruppen der beiden Mannschaften vollführen einen Heidenlärm, lediglich vielleicht gut 400-500 Leute, doch die sind laut. Herrlich. Der Fussball übrigens ist technischer als bei uns, auf engstem Raum, jedoch nicht unbedingt interessant. Jä nu, ich wollte ja unbedingt dahin – und ich hab’s genossen.

Wir besuchen mit einem Einheimischen die Wahrzeichen von Rio, Christusstatue, Zuckerhut und vieles mehr. Auch besuchen wir die grösste Favela in Rio, Rosinha. Dort leben gemäss den Einheimischen rund 200’000 Leute – im ganzen Copacabana-Quartier lediglich 120’000! Offizielle Zahlen sagen, dass es 100’000 Einwohner habe (2017), andere Zahlen sagen 150’000. Niemand weiss es wirklich – und die Leute lassen sich nicht registrieren, wollen für die Behörden unerkannt dort wohnen. Alles ist sehr eng, sehr steil, völlig zugebaut. Durch die dunklen und engen Gassen durchqueren wir die Favela und sehen, wie spartanisch die Leute hier leben wollen und müssen. Dort wo Touristen durchgehen dürfen, ist es „relativ sauber“, doch wir haben den einen oder anderen Blick riskiert….. Von einem einheimischen Guide hören wir, dass derzeit in Rio 726 Favelas existieren – Millionen von Menschen auf engstem Raum. Doch wer weiss schon, wo eine Favela aufhört und die andere beginnt ….. alles ist zusammengebaut. Von diesen «726» Favelas sollen rund 120 durch die Polizei «befriedet» sein, die anderen unterstehen den dort ansässigen Gangs – keine Polizeitruppe würde sich dort hin getrauen. Die Gangs bekämpfen sich gegenseitig permanent wegen Drogen, Waffenhandel und anderen Geschäften. Viele, sehr viele Tote sind das traurige Resultat. Speziell für uns ist zu hören, dass sich Politiker immer wieder wählen lassen und das Versprechen abgeben, dass die Polizei nicht in die Favela darf, wenn sie am Ruder sind. FUNKTIONIERT tatsächlich so. Zudem sind auch Polizisten quasi als Gang unterwegs und morden – offiziell gehen 30% der Toten auf das Konto der Polizei – Bolsonaro unterstützt das Vorgehen…… er nennt die Armen auch „Kakerlaken“……

Einschub wegen der Corona-Aktualität und den Favelas: der Präsident, sprich die Brasilianische Regierung tut nichts bezüglich Hygiene während der Coronazeit. Die Gangs haben sich abgesprochen: «Wenn die Regierung nichts tut, dann übernimmt das organisierte Verbrechen diese Aufgaben……» und sie tun es wirklich. Unglaublich. Auch so bindet man die Einwohner an die Gangs – «die Gangs helfen, die Regierung nicht» ist der Werbespruch. So rekrutieren sie auch die Kindersoldaten, von 8-15 jährig, welche die Favelas MIT WAFFENGEWALT gegen andere Gangs schützen. Versagen sie, werden sie vom Gangboss oder seinen Untergebenen einfach erschossen – so wird «Disziplin erarbeitet» (Che Guevara lässt grüssen).
Ironie des Schicksals: das Coronavirus wurde durch Leute eingeführt, die sich das Reisen leisten können, also «Reiche». Austragen müssen es definitiv die Armen, denn die Millionen armen Menschen in Rio, Sao Paulo, Managua – die meisten leben in Favelas – haben kein fliessendes Wasser und das Abwasser fliesst eh den Berg runter….. Hygiene wie wir es kennen und fordern, ist so absolut unmöglich. Genauso ist es mit dem Sicherheitsabstand. Halte den mal in den Favelas ein ……… Uns schwant Schlimmes, wenn es in den Favelas mal los geht…..

Interessant für uns war folgendes: immer wieder am Abend in den Städten, so um 19.30h war plötzlich ein Höllenkrach. Trillerpfeifen, lautes Scheppern, Minuten lang. Was ist das? Immer dann, wenn der Präsident Bolsonaro am Fernsehen «Gescheites» von sich gab, ging der Krach los. So demonstrieren sie in ganz Südamerika gegen die Regierungen, in jedem Land. Lautes Schlagen gegen Pfannen, Deckel, pfeifen – – DAS ist direkter Protest………. Und der verhallt nicht einfach so, er wird gehört. Schon Vieles ist dadurch in Bewegung geraten – schau’mer mal was in Brasilien während der Coronakrise passiert.
Und wir hören noch etwas Spannendes: Wir lassen uns sagen, dass in Rio gerade mal 1/3 der Einwohner offiziell Strom bezahlen – die andern hängen sich einfach an die Stromstränge und beziehen gratis Strom.

Joly will unbedingt an den schönen und berühmten Ort „Buzios“, dorthin wo Brigitte Bardot 1964 Furore machte. Ein herrliches und sehr urtümliches Örtchen, eine fantastische Fussgängerzone mit vielen tollen Geschäften, Cafés und Restaurants. Hier darf an der Küste nur max. 2-stöckig gebaut werden und auch andere strenge Bauvorschriften belassen den Ort noch irgendwie «ursprünglich». Wir bleiben 3 Tage hier und geniessen so richtig das Sein. Ein wunderbarer Ort, einer, den wir in unserer Agenda dick anstreichen für «unsere alten Tage».

Wir machen noch Ausflüge in die Kaiserstadt Petropolis, wunderschön mit vielen alten und schönen Bauten und in die weitere Umgebung Richtung Belo Horizonte. Dort wollen wir ein Dorf besuchen, welches ausschliesslich von Frauen regiert wird, sicher interessant………… doch……..

….. die weniger schöne Wirklichkeit holt uns ein: Die ach so eifrigen Beamten des Strassenverkehrsamtes wollen von uns wieder mal eine medizinische Untersuchung, ansonsten sie unsere Fahrerlaubnis sperren. Man bedenke: wir sind seit fast 3 Jahren in Südamerika, fahren also seit langem keinen einzigen Km in der Schweiz, sind über 10’000km von dort entfernt und diese Beamten verlangen von uns eine medizinische Untersuchung, welche in Südamerika nur Kopfschütteln und lautes Lachen verursachen.
Also gehen wir zum wiederholten Male in ein Spital und machen seriös den Untersuch. Die Leute hier sprechen ausser Portugiesisch und wenn überhaupt maximal ein wenig und sehr gebrochen Spanisch, keine anderen Fremdsprachen. Das Aargauer Formular gibt es nur in Deutsch – auch nicht in Englisch …… es wird für uns zu grossen Herausforderung, mit Google und anderen Hilfsmitteln das medizinische Formular einigermassen verständlich zu übersetzen. Die Leute hier sind unglaublich hilfsbereit – soweit sie die Sache verstehen und machen einen sehr seriösen Untersuch.

Wir werden vom Leiter des Spitals persönlich untersucht. Wir schicken das Formular und Tage später erfahren wir von einer überaus tüchtigen Fachperson, dass unser Formular nicht richtig ausgefüllt worden und somit nicht zu akzeptieren sei. Der Arzt meinte, dass bei meiner Sehstärke alles in Ordnung sei und schrieb eine Null (0,0), richtig wäre jedoch 1,0 (Lesebrille) gewesen…. Auch war für einen normalen Menschen problemlos zu erkennen, dass ein Häkchen von Computer gesetzt wurde – das ganze Formular wurde ansonsten von Hand ausgefüllt – also absolut kein Problem, ausser für einen überaus tüchtigen Amtsschimmel…… auch fehle der Ausstellungsort…. Es waren 2 Stempel des Spitals mit Unterschrift und Ortsangabe (Rio de Janeiro) gut sichtbar auf dem Formular……!!!
Also müssen wir, ob wir wollen oder nicht, den Untersuch nochmals machen. 🙁 Wie der Arzt reagierte sagen wir hier nicht……..

Nun sind wir immer noch in Brasilien, „Miss Corona“ hat uns hier voll erwischt. Wir sind mit viel Glück und Entgegenkommen der Leute hier in einer Wohnung, in Quarantäne und müssen warten, was wir wann tun können und dürfen. Vor allem müssen wir schauen, wie wir Sprinti von hier wegbringen und eine Lösung finden (vielleicht Panama?), damit wir irgendwann und irgendwie weiterreisen können – denn unsere Nummer ist ungültig und gemäss Strassenverkehrsamt dürfen wir keinen Meter mehr so fahren. Eine Lösung haben sie nicht und haben auch nach mehrmaligem Nachfragen und ehrlichem Bitten NICHTS angeboten (ausser Konsequenzen für uns).

Wenn der Amtsschimmel wiehert und dich schikanieren will……….

Ein Alltags-Beispiel aus dem normalen Leben hier: wir haben hier auch die einschneidenden Restriktionen wegen dem Coronavirus wie in Europa, vielleicht sogar härter als in Europa. So haben z.B. Bolivien und Argentinien über 1’000 Autos beschlagnahmt und Tausende Leute verhaftet wegen der Ausgangssperre – andere Länder sind genauso hart und härter. Ich habe bei meinen kurzen Spaziergängen ums Haus ein junges Paar mehrfach angetroffen. SIE ist im 8. Monat hochschwanger, sie leben auf der Strasse. Ich habe sie heute angesprochen, sie können nicht mehr in ihre Wohnung, weil ihnen Geld fehlt für die Miete. Ich bat den Mann, mit mir gemeinsam einkaufen zu gehen. Ich verstehe nur 2, 3 % Portugiesisch, doch ich glaubte zu verstehen, dass ihnen 100 Reales fehlen, um in ihre Wohnung zurückkehren zu können. Er habe ab Montag Arbeit für 800 Reales/Mt und die Wohnung koste 400……. Also gab ich ihm das ganze Eingekaufte und auch noch meine im Moment letzten 100… (wir können an den Automaten, er nicht).

Heute Abend gingen wir spazieren, eine halbe Stunde und logisch: wir gingen an der üblichen Schlafstelle der beiden vorbei, dort wo sie seit Tagen schliefen. Die Schlafstelle war leer … ob unser kleiner Beitrag dazu geführt hat, dass diese jungen Leute wieder in ihre Wohnung zurück konnten . .. eine Frau im 8. Monat schwanger???? Wir wissen es nicht und wir werden es wohl kaum je erfahren, wir wissen weder Namen noch Adressen … spielt keine Rolle.

Und genau solche Aktionen verhindert unser ach so perfektes Aargauisches Strassenverkehrsamt, um billigste «Erfolge» in der «Verbrecherbekämpfung» feiern zu können. UND SIE HABEN RECHT, DAS RECHT IST AUF IHRER SEITE……….

Eben gingen wir wieder einkaufen. Auf den lediglich kaum 300m haben uns 5 oder 6 Menschen angefragt wegen Essen – SIE haben nichts. Wir fragen uns durch, wer eine Küche hat und wer nicht……. schwierig, wenn du die Sprache nicht wirklich verstehst und dich mit Handzeichen und anderem verständigen musst. Wir gehen einkaufen und kommen wie meist mit einer Handvoll Zusatztaschen zurück – Dinge, die man kochen kann und anderes, was kalt gegessen werden kann. Wir verteilen das unter den Bedürftigen, fühlen uns alles andere als wohl, doch es ist besser als gar nichts……….

Noch etwas, was gerne vergessen wird: Nebst „Miss Corona“ gibt es aktuell in Südamerika auch noch ein weiteres gravierendes Problem, welches schwerwiegend ist – Dengue – 1.40 Millionen Fälle sind derzeit gemeldet. Etwa die Hälfte entfällt auf Brasilien, 230’000 Kranke auf Paraguay. In Paraguay sind derzeit 9 Tote wegen Corona zu beklagen, durch Dengue sind es bisher 55 Tote ….

Die Zeit mit Miss Corona verbringen wir mit viel Nichtstun, das jedoch sehr ausgiebig. Joly, welche ja viel liest hat ein neues Hobby: brasilianische Politik. Sie verbringt viele Stunden mit Lesen, was der TT (Tropical Trump… Bolsonaro) so treibt, wer wen abschiesst, welche Strafverfolgungen gegen die 4 Söhne von TT stattfinden…sie findet es spannender als jeder Krimi 🙂
Mein Lieblingsspruch während dieser Zeit:
„Mir ist etwas langweilig – eigentlich könnte ich Spanisch lernen – doch mir ist lieber langweilig…..“

Nun harren wir der Dinge die da auf uns zukommen werden. ALLE Grenzen sind zu, wir können uns nicht bewegen, wie es scheint für Monate. Dumm nur, dass unsere Aufenthaltsbewilligung Ende April ausgelaufen ist. Wir sind im Kontakt mit dem Schweizer Konsulat, einem Honorarkonsul und der Policia Federal. Wie das wohl weiter geht??? Eben erhalten wir von einer Behörde den Bescheid, dass unsere Bewilligung für die Zeit der erzwungenen Quarantäne verlängert wird. Schwierig ist, dass der Präsident Bolsonaro sich völlig quer zu den Gouverneuren stellt, alle deren Entscheide laut und täglich torpediert – es ist absolut KEINE Einigkeit vorhanden. Täglich wird es schwieriger für das Land und die Leute.

Doch wie weiter mit uns??? Wir planen wegen „Miss Corona“ derzeit mit Europa um dort eine längere Reisepause einzulegen. Sobald wie möglich, möchten wir dann wieder Reisen und weitere Projekte finanzieren. Noch stehen uns gespendete Gelder zur Verfügung.
Wann das sein wird steht zum jetzigen Zeitpunkt noch in den Sternen……

Liebe Freunde, Kollegen und Verwandten, wir verabschieden uns vorläufig von Euch mit den allerbesten Wünsche und Gesundheit.
Es war uns eine Freude, einigen Menschen durch unsere Berichte etwas Abenteuer der anderen Art ins Haus zu bringen, untermalt mit den Fotos, die wir als Zusatzinformation und nicht als Fotowettbewerb mitgegeben haben.
Wir haben immer die Reise aus UNSERER Sicht, mit unserem Auto erzählt. Wer mit einem VW-Bus ohne 4×4, einem MAN-Reismobil, einem Hymer oder einem Landrover reist, der erlebt vieles ganz anders. Vieles ist einfacher oder schwieriger, machbar oder eben nicht. Und das ist gut so – jeder auf seine Art, wir auf unsere.

Wir melden uns wieder sobald wir wissen wie es weiter geht.
Wer Lust hat, darf uns gerne über unsere Mailadresse contact@suitaontour.com kontaktieren. Wir würden uns darüber sehr freuen.

Ciao, viel Freude y hasta la proxima vez.
Joly und Kurt