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05 – Sara und Bulli – El tesoro de Valdivia

Um diesen Schatz zu finden, müssen wir weit zurück in der Geschichte recherchieren.

Es war der Moment, als das Segelschiff „Hermann“ mit insgesamt 85 Passagieren (47 Familien) nach mehr als 4 Monate über den Atlantik und am Kap Horn vorbei (kennen Joly und Kurt nun seit der Antarktisreise auch 😊) schliesslich am 12. November 1850 am Hafen von Corral bei Valdivia anlegte.

Auf diesem Schiff befand sich Carl Anwandter, Apotheker und Bürgermeister der Stadt Calau im heutigen Brandenburg. Nach der gescheiterten Revolution 1848 sah er seine liberalen und republikanischen Prinzipien in seiner Heimat nicht mehr als umsetzbar an und wanderte enttäuscht nach Chile aus. Ebenfalls auf diesem Schiff befand sich die Familie Kunstmann.

Die Neuankömmlinge erhofften sich durch den Kauf von Grundstücken durch den aus Valparaíso stammenden Geschäftsmann Franz Kindermann das Glück. Leider entpuppten sich die Grundstücke zum Betreiben von Landwirtschaft als völlig ungeeignet. In der Not eilte der chilenische Kolonialisationsbeauftragte Vicente Pérez Rosales zur Hilfe und überliess den 47 Familien Parzellen auf der Isla Teja. Dort machten sich die Deutschen sogleich daran, den Urwald zu roden, Häuser zu bauen und die mitgebrachten Weizen- und Gerstensamen einzusäen.

Und so beginnen diese beiden deutsch-chilenischen Familien eine interessante und durch Glück-und-Unglück geprägte Geschichte in und für Valdivia zu schreiben.

Während Carl Anwandter das erste Bier aus seiner 1851 gegründeten Brauerei an die anderen deutschen Kolonisten auslieferte, beschäftigten sich die Kunstmanns erfolgreich mit Getreide und Hefe. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts betrieben sie eine Getreidemühle, eine Brennerei und eine Hefefabrik.

Und so folgten Jahre eines enormen wirtschaftlichen Aufschwungs bis zum 22. Mai 1960, als ein Erdbeben (auch als grosses Chile-Erdbeben genannt) mit der weltweit grössten jemals aufgezeichneten Magnitude-Skala von 9,5, Valdivia beinahe komplett zerstörte. Darunter war leider auch die inzwischen sehr produktive Anwandter-Brauerei. Die Brauerei war grösstenteils zerstört und wurde nach dem Erdbeben nie wiederaufgebaut.

Valdivia ohne „gutes“ Bier? Nein, das konnte und durfte nicht sein – das versteht jeder Bierliebhaber! Und so begann Armin Kunstmann bereits nach dem Erdbeben im Jahr 1960 in der hauseigenen Küche Bier für den „Eigenbedarf“ zu brauen. Es vergingen allerdings mehr als 30 Jahre bis 1991 das erste Lager-Bier verkauft wurde. Scheinbar machten die Kunstmanns eine hervorragende Arbeit – das Geschäft florierte, die Produktion wurde vergrössert und der Erfolg blieb konstant gross.

Heute produziert die Cervezeria Kunstmann 15 verschiedene Sorten Bier. Mit einer Produktion von 150 Mio Liter pro Jahr zählt sie in Chile allerdings zu den eher kleinen Brauereien.

Sara und ich dürfen zusammen mit Joly und Kurt die heutige Brauerei besuchen – Privatführung – wir waren die einzigen Gäste. Im Museum lernen wir die Geschichte kennen, bestaunen alte Gerätschaften, Flaschen und kunstvolle Etiketten von früher.

Dann werden wir mit dem hauseigenen (von mir „BULLI“ kritisch bestaunten) Elektro-VW-Bus in das Produktionsgelände gefahren – es wird speziell erwähnt, dass er vollelektrisch fährt. Für die Touristen ist ein klitzekleiner Hopfengarten angelegt – ein Dutzend Pflanzen wachsen dort. Diese Pflanze gedeiht hier nicht wirklich, das Klima lässt dies einfach nicht zu – darum muss der ganze Hopfen aus den USA und aus Deutschland importiert werden. Das Malz und die Hefe werden zusammen mit dem Wasser hier vor Ort bezogen. Somit haben wir die 4 Grundstoffe eines Bieres.

Es wird mehrmals betont, dass das Bier nach dem Reinheitsgebot hergestellt wird. Das heisst, dass das Bier nur aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt wird.

Zuerst wird das Malz gemahlen. Je nach gewünschter Biersorte wird das Malz nicht oder mehr oder weniger stark geröstet. Die Schalen der Malte werden als Futter für die Tiere verwendet und ist hier in der ganzen Umgebung sehr beliebt. Danach wird Hopfen, Wasser und Malz gemischt, das Ganze filtriert und während 1 Stunde bei 98 Grad zusammen mit der Hefe gekocht. Auf der Anlage befinden sich 10 Tanks à 90‘000 Liter, wo das Bier anschliessend während ca. 1-2 Wochen bei einer Temperatur von 12-18 Grad fermentiert. Danach wird das Bier ca. 1 Monat bei 2 Grad „gealtert“.

Für 1 Liter Bier werden 4 Liter Wasser benötigt. Dieses wird in der eigenen brandneuen Anlage aufbereitet. In einer Stunde werden 12‘000 Flaschen von einer Sorte produziert. Kunstmann will keine Aludosen abfüllen, sie sind gegen das Verwenden von Aluminium, denn dieses beeinträchtige das Bier. Wir wären gespannt auf die Gegenaussagen der grossen Bierproduzenten, die vor allem Aludosen verwenden 😊. Damit während des Gärprozesses keine ungewollten chemischen Reaktionen stattfinden, werden die Aromen (z. B. Honig, Himmbeeren, Basilikum etc.) erst gegen Ende des Prozesses zugefügt.

Zur Krönung dieser interessanten und geschichtsträchtigen Führung, dürfen Joly und Kurt verschiedene Biere probieren. Darunter die brandneue Sorte mit Basilikum – das war eine echte Überraschung – Bier mit Basilikum…… Während Kurt mit Genuss das Bier mit Basilikumgeschmack geniesst, bleibt Joly der Meinung, dass Basilikum auf Spaghetti, Pizza und Caprese definitiv besser schmeckt.

Für Joly und Kurt ist es äusserst erstaunlich, wie viele Kleinbrauereien in Chile und Argentinien anzutreffen sind. Und wie es scheint, haben sie den Nerv der Zeit getroffen – praktisch allen geht es gut. Weiter erstaunlich ist die enorme Vielfalt der Biere – ein „normales“ Bier wird kaum angeboten. Ohne böse sein zu wollen, doch – wer diese verschiedenen Biere probiert hat, der wird die grünen Aludosen (und die anderen) stehen lassen und eines dieser kleinen Kunstwerke sich zu Gemüte führen – meint zumindest Kurt.

Wir verabschieden uns mit den Spruch: Auch Wasser wird zum edlen Tropfen, mischt man es mit Hefe, Malz und Hopfen.

PROST…….

Von Sara und Bulli für suitaotour aus Chile / April 2018